Spillover
einer bescheidenen Stadt im Südosten Gabuns. Leroy und seine Kollegen fanden im Probenmaterial einiger Patienten Indizien für das Ebolavirus und schlossen daraus, dass der zerlegte Schimpanse mit dem Erreger infiziert war. »Bei dem Schimpansen handelt es sich offensichtlich um den Indexfall für die 18 primären Fälle unter Menschen«, schrieben sie. 7 Bei den Untersuchungen stellte sich außerdem heraus, dass der Schimpanse nicht von Jägern aus dem Dorf getötet worden war, man hatte ihn vielmehr tot im Wald gefunden und mitgenommen.
Vier Jahre später saß ich an einem Lagerfeuer am Oberlauf des Ivindo mit einem Dutzend einheimischer Männer zusammen, die als Hilfsmannschaft für eine außergewöhnliche Expedition arbeiteten. Die meisten von ihnen stammten aus Dörfern im Nordosten Gabuns und waren schon wochenlang zu Fuß unterwegs gewesen, als ich mich ihnen anschloss. Ihre Aufgabe bestand darin, schwere Gepäckstücke durch den Dschungel zu tragen und jeden Abend ein einfaches Lager für den Biologen Mike Fay zu errichten, dessen Hartnäckigkeit und eiserner Wille die Triebkraft des ganzen Unternehmens war. Fay ist selbst nach den Maßstäben von Feldbiologen ein ungewöhnlicher Mann: ungemein kräftig, ausdauernd, offen, klug und ein vehementer Verfechter des Naturschutzes. Sein Projekt mit dem Namen »Megatransect« war eine biologische Übersichtsuntersuchung, für die er zu Fuß mehr als 3000 Kilometer durch die wildesten noch verbliebenen Waldgebiete Zentralafrikas zurücklegte. Auf jedem Schritt seines Weges sammelte er Daten: Er erfasste Dunghaufen von Elefanten, Leopardenfährten, Sichtungen von Schimpansen und Pflanzen, die er bestimmt hatte. Tausende von Notizen hielt er in seiner krakeligen Linkshänderschrift in wasserfesten gelben Notizbüchern fest, während die Begleitmannschaft seine Computer, das Satellitentelefon, Spezialinstrumente und Zusatzakkus schleppte, aber auch Zelte, Lebensmittel und medizinische Versorgungsgüter für die ganze Gruppe.
Als Fay in diesen Teil Gabuns kam, war er bereits seit 290 Tagen zu Fuß unterwegs. Er hatte die Republik Kongo mit einer Mannschaft aus dschungelerfahrenen Einheimischen durchquert, aber ihnen hatte man an der Grenze zu Gabun die Einreise verweigert. Deshalb war Fay gezwungen gewesen, in Gabun ein neues Team zusammenzustellen. Er rekrutierte die Leute zum größten Teil in einer Reihe von Goldgräberlagern am Oberlauf des Ivindo. Die harte, beschwerliche Arbeit bei ihm – Pfade frei schlagen, Kisten schleppen – war offenbar immer noch besser, als im Schlamm Äquatorialafrikas nach Gold zu wühlen. Ein Mann diente nicht nur als Gepäckträger, sondern auch als Koch: Jeden Abend bereitete er am Lagerfeuer riesige Mengen Reis oder fufu (ein stärkehaltiges Grundnahrungsmittel aus Maniokmehl, das essbarem Tapetenkleister ähnelt) zu und verzierte das Gericht mit einer undefinierbaren braunen Soße. Diese enthielt als Zutaten wechselweise Tomatensoße, Trockenfisch, Dosensardinen, Erdnussbutter, gefriergetrocknetes Rindfleisch und pili-pili (scharfen Paprika) – sie alle galten als miteinander verträglich und wurden nach dem Geschmack des Chefkochs kombiniert. Niemand beklagte sich. Alle hatten ständig Hunger. Nur eines war am Ende eines anstrengenden Tagesmarsches durch den Dschungel schlimmer als eine große Portion von dem Zeug: eine kleine Portion. Ich selbst sollte im Auftrag von National Geographic Fay und der Gruppe auf dem Fuße folgen und in einer Reihe von Artikeln seine Arbeit und die ganze Wanderung beschreiben. Ich begleitete ihn hier zehn Tage, dort zwei Wochen und flüchtete mich zwischendurch nach Hause in die Vereinigten Staaten, wo ich meine Füße abheilen ließ (wir hatten Badesandalen getragen) und eine Fortsetzungsfolge schrieb.
Jedes Mal, wenn ich wieder zu Fay und seiner Gruppe stieß, war die Verabredung logistisch anders arrangiert, je nachdem, wie abgelegen sein derzeitiger Aufenthaltsort war und wie dringend er Nachschub brauchte. Von der Zickzacklinie seiner Wanderungsroute wich er nie ab. Es war meine Sache, mich zu ihm durchzuschlagen, egal ob per Buschflieger oder Motorkanu. Manchmal reiste ich in Begleitung von Fays zuverlässigem Logistikmanager und Quartiermeister, dem japanischen Ökologen Tomo Nishihara. Wir quetschten uns zwischen das Material, das er für die nächste Etappe von Fays Wanderung mitnahm: Säcke mit Fufu, Reis und Trockenfisch, Kisten mit Sardinen, Öl und Erdnussbutter, Pili-Pili und AA
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