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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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Universität nur ganz am Rande einmal von Hendra-Viren gehört. Der Erreger war zu exotisch, zu neu und in der Region von Melbourne kein Thema. Nur bei zwei der vier Flughund-Arten, die als Reservoirwirte dienen, reicht das Verbreitungsgebiet so weit nach Süden, und Probleme hatten sie dort offensichtlich noch nie verursacht. Die Tierärztin ließ eine Blutuntersuchung vornehmen, dann noch eine. Es stimmte: Sie hatte Antikörper gegen Hendra-Viren. Zu jener Zeit war sie bereits wieder auf den Beinen und arbeitete. Sie hatte sich angesteckt und die Infektion abgewehrt.
    Als ich sie ein Jahr später kennenlerne, fühlt sie sich wohl, abgesehen von ein wenig Überdruss und mehr als nur ein wenig Angst. Natürlich kennt sie den Fall von Mark Preston – Ansteckung bei der Nekropsie eines Pferdes, Genesung, Zwischenspiel mit guter Gesundheit, dann der Rückfall – und weiß, dass sie nicht selbstzufrieden glauben darf, das Virus habe sie für immer verlassen. Ihr Fall wird von den Gesundheitsbehörden überwacht; sie wollen alles wissen: ob die Kopfschmerzen wiederkehren, ob sie sich benommen fühlt oder Krampfanfälle bekommt, ob die Nerven kribbeln, ob sie hustet oder niest. »Ich gehe immer noch zu den Spezialisten für Infektionskrankheiten«, sagte sie. »Im Department of Primary Industries lasse ich mich regelmäßig durchchecken.« In ihrem Blut ermittelten sie immer wieder die Antikörperkonzentration, die seltsamerweise ständig schwankt. In jüngster Zeit sind die Zahlen wieder gestiegen. Sind das die Vorboten eines Rückfalls, oder spiegelt sich darin nur ihre erworbene Immunität wider?
    Am meisten Angst, so erzählt sie mir, mache ihr die Unsicherheit. »Diese Krankheit gibt es erst seit so kurzer Zeit, dass niemand mir sagen kann, ob sie für die Zukunft eine Gesundheitsgefahr darstellt.« Wie würde es ihr in sieben Jahren gehen, wie in zehn Jahren? Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls? Mark Preston war nach einem Jahr ganz plötzlich gestorben. Ray Unwin gab an, seine Gesundheit sei immer noch »angeschlagen«. Die junge Tierärztin in Cairns wollte für sich selbst nur dasselbe wissen wie wir alle: Was kommt als Nächstes?
    1 Morse (1993), S. IX
    2 O’Sullivan et al. (1997), S. 93
    3 McCormack et al. (1999), S. 23
    4 Brown (2001), S. 239
    5 William H. McNeill, in Morse (1993), S. 33–34
    6 Jones et al. (2008), S. 990

KAPITEL II Dreizehn Gorillas

8
    Der Hund, der nicht bellte
    Nur wenige Monate nach den Ereignissen im Stall von Vic Rail kam es zu einem anderen Spillover, dieses Mal in Zentralafrika. Am Oberlauf des Flusses Ivindo im Nordosten Gabuns, nicht weit von der Grenze zur Republik Kongo, liegt ein kleines Dorf namens Mayibout 2. Es ist eine Art Satellitensiedlung des Dorfes Mayibout, das rund eineinhalb Kilometer weiter stromabwärts liegt. Anfang Februar 1996 wurden 18 Menschen in Mayibout 2 plötzlich krank, nachdem sie gemeinsam einen Schimpansen zerlegt und aufgegessen hatten.
    Die Symptome waren Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen, blutunterlaufene Augen, Zahnfleischbluten, Schluckauf, Glieder- und Halsschmerzen und blutiger Durchfall. Alle 18 Patienten wurden auf Anweisung des Dorfvorstehers flussabwärts in ein Krankenhaus in der Distrikthauptstadt Makoku gebracht. Von Mayibout 2 nach Makoku sind es weniger als 80 Kilometer Luftlinie, aber auf dem gewundenen Ivindo dauert die Bootsfahrt sieben Stunden. Vier Patienten waren bei der Ankunft bereits todkrank und starben innerhalb der nächsten beiden Tage. Die vier Leichen wurden nach Mayibout 2 zurückgebracht und nach traditionellem Ritus bestattet, ohne dass man besondere Vorsichtsmaßnahmen gegen die Übertragung von irgendetwas, an dem sie gestorben waren, ergriffen hätte. Ein fünftes Opfer floh aus dem Krankenhaus, kehrte auf eigene Faust ins Dorf zurück und starb dort. Wenig später kam es zu Sekundärfällen unter Personen, die sich bei der Versorgung der ersten Opfer – ihrer Angehörigen und Freunde – oder durch den Umgang mit den Toten angesteckt hatten. Am Ende waren 31 Menschen erkrankt, von denen 21 starben: eine Sterblichkeitsrate von fast 68 Prozent.
    Diese Fakten wurden von einem gabunisch-französischen Medizinerteam zusammengetragen, das während der Epidemie nach Mayibout 2 kam. Zu der Gruppe gehörte Eric M. Leroy. Der energische Franzose hatte in Paris Tiermedizin und Virologie studiert und dann am Centre International de Recherches Médicales de Franceville ( CIRMF ) in Franceville gearbeitet,

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