Spillover
einer beträchtlichen Menge Ausrüstung in dem Boot. Unter anderem hatten wir einen Gaskühlschrank, zwei Tiefkühltanks mit flüssigem Stickstoff (zur Aufbewahrung der Blutproben), sorgfältig verpackte Spritzen, Kanülen, Gefäße und Instrumente, Chirurgenhandschuhe, Schutzanzüge, Zelte und Planen, Reis, Fufu, Dosentunfisch, Erbsen in Dosen, mehrere Schachteln mit schlechtem Rotwein, viele Wasserflaschen, einige Klapptische und sieben weiße Plastik-Stapelstühle dabei. Mit diesen Hilfsmitteln und Luxusgütern richteten wir gegenüber von Moba auf der anderen Seite des Flusses ein Lager ein. Zu unserem Team gehörten der Spurensucher Prosper Balo und mehrere Wildtierärzte, Waldführer und ein Koch. Prosper hatte vor und während der Epidemie in Lossi gearbeitet. Unter seiner Führung wollten wir die Lichtungen durchstreifen; alle waren üppig bewachsen und berühmt dafür, dass jeden Tag Dutzende von Gorillas zum Fressen und Ruhen hierherkamen.
Billy Karesh war vor der Ebola-Epidemie schon zweimal in der Region gewesen und hatte grundlegende Daten über die Gesundheit der Gorillas gesammelt. Auf einer Reise im Jahr 1999 hatte er an einem einzigen Tag 62 Gorillas gesehen. Als er 2000 zurückkehrte, wollte er wenigstens ein paar Menschenaffen ausfindig machen. »Damals war auf jeder Lichtung mindestens eine Familiengruppe«, erzählt er mir. Da er die Tiere nicht allzu sehr beunruhigen wollte, hatte er nur vier von ihnen betäubt, gewogen, auf leicht erkennbare Krankheiten wie Frambösie (eine Bakterieninfektion der Haut) untersucht und Blutproben entnommen. Alle vier Menschenaffen hatten sich im Test als negativ auf Ebola-Antikörper erwiesen. Dieses Mal war er auf Blutproben von den Überlebenden des Massensterbens im Jahr 2002 aus. Unsere Erwartungen waren hoch. Tage vergingen. Doch offenbar gab es keine Überlebenden.
Oder jedenfalls nur sehr wenige – ihre Zahl reichte nicht aus, um sie aus der Distanz zu betäuben und so an Daten zu gelangen. Unsere Erkundungsmission in Moba dauerte mehr als eine Woche. Jeden Morgen überquerten wir den Fluss, gingen leise zu dieser oder jener Lichtung, versteckten uns an ihrem Rand im dichten Gestrüpp und warteten geduldig, ob Gorillas auftauchten. Kein einziger zeigte sich. Oft hockten wir im Regen. Wenn die Sonne schien, las ich in einem dicken Buch oder lag dösend auf dem Boden. Karesh stand mit seinem Luftgewehr im Anschlag, die Pfeile geladen mit Tilletamin und Zolazepam, den Wirkstoffen der Wahl, um einen Gorilla außer Gefecht zu setzen. Oder aber wir wanderten durch den Wald und hielten uns dabei dicht hinter Prosper Balo, der nach Spuren von Gorillas suchte – und keine fand.
Als wir am dritten Tag immer noch keine Gorillas gesehen haben, sagt Karesh: »Ich glaube, sie sind tot. Hier hat Ebola gewütet.« Er vermutet, dass sich nur wenige Tiere entweder nicht angesteckt hatten oder so resistent waren, dass sie überlebten. Aber, so sagte er, »das sind genau diejenigen, für die wir uns interessieren«. Wenn überhaupt, könnten sie möglicherweise Antikörper tragen. Am vierten Tag trennen sich Karesh und Balo vom Rest der Gruppe; es gelingt ihnen, ein einzelnes Gorillamännchen aufgrund seiner Schläge auf die Brust und seiner kreischenden Rufe zu lokalisieren und sich im dichten Unterholz bis auf zehn Meter anzuschleichen. Plötzlich steht das Tier vor ihnen … nur der Kopf ist zu sehen. Unmöglich, es mit einem ungefährlichen Schuss in die Flanke zu betäuben. Also hält Karesh sich zurück. Der Gorilla lässt einen weiteren Schrei hören und läuft davon.
Unter meinen Notizen vom sechsten Tag findet sich der Eintrag: »Kein Gorilla weit und breit, einfach gar nichts.« Die letzte Chance haben wir am siebten Tag: Balo und Karesh verfolgen eine Gorillagruppe mehrere Stunden lang durch den sumpfigen Wald, ohne auch nur etwas mehr als einen Blick auf sie zu erhaschen. Die Gorillas rund um Moba Bai sind äußerst selten geworden, und die wenigen, die es noch gibt, sind ängstlich und scheu. Gleichzeitig regnet es weiter, die Zelte stehen voller Schlamm, und der Fluss steigt an.
Wenn wir nicht im Wald waren, unterhielt ich mich im Lager mit Karesh und drei in Afrika tätigen Tierärzten aus seinem Team. Einer war Alain Ondzie, ein schlaksiger Kongolese. Er hat in Kuba studiert, spricht neben Französisch und mehreren zentralafrikanischen Sprachen auch fließend Spanisch und hat die Gewohnheit, den Kopf zu senken und fröhlich zu kichern, wenn man ihn
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