Spillover
hörten Erbrechen und Durchfall auf. Zwei Tage später ging der Ausschlag zurück, und die Pilzinfektion war unter Kontrolle. Platt hatte Glück gehabt – vielleicht aufgrund einer genetischen Veranlagung, vielleicht aber auch weil er medizinisch optimal versorgt wurde. Das Virus verschwand aus seinem Blut, aus dem Urin und aus dem Stuhl. Jetzt durfte er die Isolierstation verlassen und konnte nach Hause gehen. Er hatte abgenommen, und während der langen, langsamen Genesung fielen ihm die Haare zum größten Teil aus. Aber wie die Schweizerin überlebte er.
Die russische Forscherin hatte 1996 weniger Glück. Russischen Medien zufolge hieß sie Nadjeschda Alexejewna Makowetskaja, in der medizinischen Fachliteratur im Westen blieb sie namenlos. Sie hatte an einem dem Verteidigungsministerium unterstellten virologischen Institut an einer experimentellen Ebola-Therapie gearbeitet. Dabei bediente sie sich des Blutserums von Pferden. Pferde erkranken – im Gegensatz zu Hendra – nicht am Ebolavirus, und deshalb nutzt man sie zur Herstellung von Antikörpern. Um die Wirksamkeit der Therapie zu überprüfen, musste man weitere Pferde infizieren. »Die Arbeit mit einem ebolainfizierten Pferd zu beschreiben, ist schwierig«, 18 hieß es in der zugeknöpften Erklärung des damaligen Leiters der Biowaffenforschung, eines Generalleutnants namens Valentin Jestignejew. Damit hatte er zweifellos Recht. Ein Pferd kann selbst dann, wenn es nicht an Krampfanfällen leidet, nervös und unruhig sein. »Schon unter normalen Bedingungen lässt sich ein solches Tier schwer handhaben, und wir mussten in besonderen Schutzanzügen arbeiten«, sagte General Jestignejew. »Ein falscher Schritt, ein zerrissener Handschuh konnte schwerwiegende Folgen haben.« Makowetskaja hatte diesen falschen Schritt offenbar getan. Vielleicht war es auch weniger ihr Fehler als vielmehr das Zucken eines empfindlichen Wallachs. »Sie zerriss ihre Schutzhandschuhe, hielt es aber vor der Führung geheim, denn es geschah unmittelbar vor den Neujahrsferien«, heißt es in dem nüchternen Bericht des Generals. »Deshalb war es bereits zu spät, als sie sich an einen Arzt wandte.« Wie sich der Vorfall genau abgespielt hat, wissen wir nicht. Die Einzelheiten zu Makowetskajas Symptomen, dem Krankheitsverlauf und ihrem Tod werden bis heute geheim gehalten.
Eine andere Russin steckte sich im Mai 2004 mit Ebola an, und über diesen Fall weiß man ein wenig mehr. Antonina Presnjakowa, eine technische Assistentin von 46 Jahren, arbeitete im Nordwesten Sibiriens in einem Hochsicherheits-Virusforschungszentrum namens Vektor. Presnjakowas Spritze enthielt das Blut eines ebolainfizierten Meerschweinchens. Die Nadel durchstieß zwei Handschuhschichten und drang in ihre linke Handfläche ein. Sie kam sofort auf eine Isolierstation. Nach wenigen Tagen traten Symptome auf, und zwei Wochen später war sie tot.
Diese drei Fälle zeigen, mit welchen Gefahren die Laborarbeit an solchen tödlichen, infektiösen Viren verbunden ist. Außerdem kann man sich leicht ausmalen, welche Besorgnis die stärkste Annäherung der Vereinigten Staaten an einen hausgemachten Ebola-Fall auslöste.
18
Ab in die Kiste!
Dieser Fall ereignete sich wenige Monate vor dem Tod von Antonina Presnjakowa in Fort Detrick, der US-Armeeeinrichtung für medizinische Forschung und biologische Verteidigung, in der auch die USAMRIID angesiedelt ist. Die betroffene Forscherin, Kelly L. Warfield, ist ganz in der Nähe aufgewachsen und hatte bereits als Schülerin Kontakt zu den Wissenschaftlern aus dem Forschungsinstitut – wenn diese in den Laden ihrer Mutter kamen, um Cola Light, Milch, Nikotinkaugummi oder Kopfschmerztabletten zu kaufen, eben alles, was leitende Virusforscher der US -Armee so brauchen. Aber sicher nicht nur deswegen hegte Kelly schon in jungen Jahren eine große Vorliebe für die Wissenschaft.
»Ich bin ein Hot-Zone -Kind«, erzählte sie mir später. Sie hatte das Buch gelesen, kurz nachdem sie ihren Bachelor in Molekularbiologie gemacht hatte. Und es habe sie elektrisiert, so erklärte sie, trotz gewisser Zweifel an seiner wissenschaftlichen Genauigkeit. Sie hoffte, im Anschluss an ihre Promotion nach Fort Detrick zurückkehren und als Wissenschaftlerin beim USAMRIID anfangen zu können – möglichst um mit Ebolaviren zu arbeiten.
Eine Promotionsstelle fand sie schließlich am Baylor College of Medicine in Houston. Dort widmete sich ein ganzes Institut mit zwei Dutzend Virologen der
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