Spillover
ausmachten, führte schließlich zu einem Ergebnis: In Fledertieren, die zu drei verschiedenen biologischen Arten gehörten, fand Leroy Indizien für eine Infektion mit dem Ebolavirus.
Alle drei waren Flughunde, relativ große, schwerfällige Tiere ähnlich jenen, die in Australien das Hendra-Virus in sich trugen. Eine davon, der Hammerkopf-Flughund ( Hypsignathus monstrosus ), ist so groß wie eine Krähe und damit die größte Fledertierart in Afrika. Menschen jagen sie wegen ihres Fleisches. In diesem Fall jedoch waren die Befunde, die auf eine Verbindung zwischen Fledertieren und Viren hindeuteten, zwar deutlich, aber nicht absolut eindeutig. Sechzehn Fledertiere (darunter vier Hammerkopf-Flughunde) trugen Antikörper. Bei 13 (darunter wiederum ein Hammerkopf-Flughund) konnte man mit der PCR Genombruchstücke des Ebolavirus nachweisen. Insgesamt summierte sich die Zahl also auf 29 Individuen, einen kleinen Bruchteil der gesamten Stichprobe. Und selbst bei diesen 29 Tieren waren die Befunde nicht zweifelsfrei: Bei keinem einzigen erbrachten beide Methoden einen positiven Befund. Außerdem fanden Leroy und sein Team in keinem einzigen Exemplar – und auch in keinem der anderen Tiere, die sie sezierten – lebende Ebolaviren.
Eindeutig oder nicht: Die Befunde, die Leroy und seine Kollegen Ende 2005 veröffentlichten, erschienen dramatisch. Der Artikel war nur eine kurze Mitteilung, kaum mehr als eine Seite lang, aber er erschien in Nature , einem der angesehensten Wissenschaftsjournale der Welt. Die Überschrift lautete: FLUGHUNDE ALS RESERVOIR DES EBOLAVIRUS. Der Artikel selbst war vorsichtiger formuliert; darin hieß es, drei Arten von Fledertieren »könnten als Reservoir des Virus dienen«. Manche Experten taten nun so, als sei die Frage praktisch beantwortet, andere enthielten sich eines Urteils. »Um sicher sagen zu können, dass Fledertiere der Reservoirwirt sind, fehlt jetzt nur noch eines«, sagte mir Leroy, als wir uns zehn Monate danach unterhielten. »Wir müssen das Virus isolieren. Lebende Viren aus Fledertieren.« Das war 2006. Soweit die Welt weiß, ist es bis heute nicht gelungen, aber das lag nicht daran, dass er sich nicht genügend Mühe gegeben hätte. »Wir fangen weiterhin Flughunde und Fledermäuse und versuchen, aus ihren Organen das Virus zu isolieren«, sagte er.
Aber wie Leroy betont, ist die Frage nach dem Reservoirwirt nur einer von mehreren Aspekten, die ihn an Ebola interessieren. Mit den Methoden der Molekulargenetik analysierte er auch die Stammesgeschichte des Erregers – die Vorfahren und den Evolutionsverlauf der gesamten Abstammungslinie der Filoviren, zu der neben den verschiedenen Ebolaviren auch das Marburgvirus gehört. Er will mehr über den natürlichen Lebenszyklus des Erregers erfahren: Wie vermehrt er sich in seinem Reservoirwirt (oder den Reservoirwirten), und wie hält er sich in ihren Populationen? Am Ende könnten Kenntnisse über diesen Kreislauf auch neue Aufschlüsse darüber liefern, wie das Virus auf Menschen übertragen wird – wie also der Übersprung stattfindet. Handelt es sich dabei um eine unmittelbare Übertragung (beispielsweise weil Menschen das Fleisch der Fledertiere essen), oder verläuft sie über einen Zwischenwirt? »Ob eine unmittelbare Übertragung von Fledertieren auf Menschen stattfindet, wissen wir nicht«, sagt er. »Klar ist nur, dass der Erreger direkt von toten Menschenaffen auf Menschen übergehen kann.« Wenn man etwas über die Dynamik der Übertragung wüsste – über jahreszeitliche Faktoren, die geographische Verteilung der Epidemien und die Umstände, wie die Reservoirwirte oder ihre Exkremente mit Menschenaffen oder Menschen in Kontakt kommen –, hätten die Gesundheitsbehörden eine Möglichkeit, manche Epidemien vorauszusagen und vielleicht sogar zu verhindern. Andererseits ist es aber ein grausiger Kreislauf: Um mehr Daten sammeln zu können, braucht man mehr Epidemien.
Wie Leroy mir weiter erklärt, lässt sich Ebola wegen seiner besonderen Eigenschaften nur schwer untersuchen. Der Erreger schlägt selten zu, die Krankheit schreitet schnell fort und führt innerhalb weniger Tage entweder zum Tode oder nicht, betroffen sind bei jeder Epidemie nur einige Dutzend oder wenige Hundert Menschen, und die Patienten leben meist in abgelegenen Regionen weit weg von Forschungskrankenhäusern und medizinischen Instituten – auch von seinem Institut, dem CIRMF . (Von Franceville nach Mayibout 2 ist man ungefähr zwei Tage
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