Spillover
seinen Vorstellungen zu Ebola recht? Die Antwort könnte auch hier ja lauten. Am Ende veröffentlichten Walsh und Leroy gemeinsam einen Fachartikel, in dem Roman Biek und Les Real geschickt vermittelten; darin formulierten sie eine logische Mischung ihrer Ansichten zum Stammbaum der verschiedenen Varianten des Zaire-Ebolavirus (die alle von dem Yambuku-Erreger abstammen) sowie über die Hammerkopf-Flughunde und die beiden anderen Flughundarten als (relativ neue) Reservoirwirte. Aber auch dieser Artikel ließ manche Fragen unbeantwortet, darunter diese: Angenommen, die Flughunde haben sich erst vor Kurzem mit Ebola infiziert – warum leiden sie dann nicht an Symptomen?
In einer Reihe anderer grundlegender Fragen sind die vier Autoren der gleichen Meinung. Erstens: Flughunde könnten als Reservoirwirte des Ebolavirus dienen, sie müssen aber nicht zwangsläufig die einzigen Reservoirwirte sein. Vielleicht sind auch andere Tiere beteiligt – ein älteres Reservoir, das sich seit Langem an das Virus angepasst hat. (Wenn das stimmt: wo verstecken sich dann diese Tiere?) Und zweitens: Mit Sicherheit sind zu viele Menschen an der Ebola-Viruserkrankung gestorben, aber die Zahl der toten Menschen ist nicht annähernd so groß wie die Zahl der toten Gorillas.
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In einem Boot
Nach unserer ergebnislosen Gorillamission bei Mobai Bai im Nordwesten des Kongo reiste ich zusammen mit Billy Karesh, dem Fährtenleser Prosper Balo und anderen Mitgliedern des Teams mit einer Piroge drei Stunden auf dem Mambili flussabwärts. Proben mit gefrorenem Gorillablut hatten wir zwar keine, aber ich war dennoch froh, dass ich die Expedition hatte begleiten dürfen. Vom Unterlauf des Mambili wandten wir uns in einem seiner Nebenflüsse stromaufwärts, fuhren zu einem Landeplatz und dann über eine unbefestigte Straße nach Mbomo; die Ortschaft liegt mitten in dem Gebiet, in dem während der Epidemie von 2002 /2003 insgesamt 128 Menschen dem Ebolavirus zum Opfer gefallen waren.
Mbomo ist auch der Ort, in dem Barry Hewlett von den Einheimischen gehört hatte, die Todesfälle seien auf Zauberei zurückzuführen. Wir hielten an einem kleinen Krankenhaus, einem U-förmigen Komplex aus niedrigen Betongebäuden, die sich um einen unbefestigten Hof gruppierten wie ein einfaches Motel. Die winzigen, zellenartigen Zimmer führten durch eine Lamellentür unmittelbar auf den Innenhof. Wir standen in der Hitze, und Alain Ondzie erklärte mir, die leitende Ärztin von Mbomo, Dr. Catherine Atsangandako, habe vor einem Jahr von sich reden gemacht, weil sie einen Ebola-Patienten in einer dieser Zellen eingeschlossen hatte. Mit Lebensmitteln und Wasser hatte sie ihn durch die Latten der Tür hindurch versorgt. Der Mann war Jäger und hatte sich vermutlich beim Hantieren mit Wild angesteckt. Er war hinter der Lamellentür gestorben – ein einsames Ende, aber allgemein rechnete man es der Ärztin und der von ihr verordneten drakonischen Quarantäne als Verdienst an, dass eine größere Epidemie ausgeblieben war.
Catherine Atsangandako war an diesem Tag nicht da. Die einzige Spur ihrer harten Hand war ein Schild mit einer Aufschrift in leuchtend roten Buchstaben:
ATTENTION EBOLA
NE TOUCHONS JAMAIS
NE MANIPULONS JAMAIS
LES ANIMAUX TROUVES
MORTS EN FORET
Kurz: Im Wald keine toten Tiere anfassen!
Mbomo hatte noch eine weitere kleine Besonderheit: Es war der Heimatort von Prosper Balo. Wir gingen zu seinem Haus, das wir über einen schmalen Fußweg und einen grasbewachsenen Pfad erreichten. Der unbefestigte Hof war sauber gefegt, und unter einer Palme standen Holzstühle für uns. Wir lernten seine Frau Estelle und einige seiner vielen Kinder kennen. Seine Mutter bot uns Palmenschnaps an. Die Kinder rangelten um die Aufmerksamkeit ihres Vaters; andere Verwandte versammelten sich, um die ausländischen Besucher zu sehen, und wir machten Gruppenfotos. Inmitten dieser fröhlichen Geselligkeit erfuhren wir auf unsere vorsichtigen Fragen hin, wie Estelle und ihre Familie in der grausigen Zeit im Jahr 2003, als Prosper nicht zu Hause gewesen war, unter Ebola gelitten hatten.
Ihre Schwester, zwei Brüder und ein Kind waren während der Epidemie ums Leben gekommen, und die Dorfbewohner hatten Estelle wegen ihrer Verbindung zu den Todesfällen gemieden. Niemand verkaufte ihr etwas zu essen. Niemand rührte ihr Geld an. Ob sie sich vor einer Ansteckung oder vor schwarzer Magie fürchteten, ist unklar. Sie musste sich im Wald verstecken, und nach Prospers Worten wäre
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