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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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und Sümpfe lag zwischen ihnen und Fays Ziel, einer Stelle am Atlantik.
    20
    Urwaldguerilla
    Zu der Zeit, da diese Zeilen geschrieben werden, ist die Identität des Reservoirwirts (oder der Reservoirwirte) des Ebolavirus immer noch nicht geklärt; Verdächtige gibt es allerdings. Mit der Frage haben sich mehrere Forscherteams beschäftigt. Die maßgebliche Arbeitsgruppe, die auch in der vorteilhaftetesten Position ist und der Frage am hartnäckigsten nachgeht, wird von Eric M. Leroy am CIRMF in der gabunischen Stadt Franceville geleitet. Wie bereits erwähnt, war Leroy einer der Ärzte, die in geheimnisvollen weißen Anzügen nach Mayibout 2 kamen und sich dort mit der Epidemie beschäftigten. Er und seine Kollegen dürften zwar dort nicht vielen Patienten das Leben gerettet haben, aber für Leroy selbst wurde die Epidemie zum Wendepunkt. Er hatte nicht nur in der Tiermedizin, in der Immunologie und in der Virusforschung gearbeitet, sondern sich auch bis 1996 mit den Auswirkungen eines anderen Virustyps ( SIV , von dem später noch die Rede sein wird) auf das Immunsystem von Mandrillen befasst. Mandrille sind große Affen, die Pavianen ähneln: Sie haben eine rote Nase, dicke blaue Gesichtsleisten und ein merkwürdiges Mienenspiel, das ihnen das Aussehen eines verärgerten, düsteren Clowns verleiht. Außerdem interessierte sich Leroy für die physiologischen Vorgänge im Immunsystem von Fledertieren. Dann kamen Mayibout 2 und Ebola.
    »Irgendwie war es Schicksal«, sagt Leroy, als ich ihn in Franceville aufsuche.
    Als er nach dem Einsatz in Mayibout 2 wieder am CIRMF war, erforschte er Ebola im Labor weiter. Zusammen mit einem Kollegen, Immunologe wie er, analysierte er verschiedene molekulare Marker in Blutproben, die er während der Epidemie gesammelt hatte. Sie fanden Indizien, wonach die medizinische Prognose für einen einzelnen Patienten – ob er überlebt und wieder gesund wird oder ob er stirbt – nicht mit der Virusmenge zusammenhängt, mit der sich jemand angesteckt hat, sondern damit, ob die Blutzellen des Patienten nach der Infektion schnell genug Antikörper produzieren. Und wenn sie es nicht tun, warum nicht? Liegt es daran, dass das Virus selbst das Immunsystem auf irgendeine Weise sehr schnell hemmt und die normalen molekularen Abläufe der Antikörperproduktion unterbricht? Tötet das Virus (wie man heute allgemein annimmt), weil es eine Immunschwäche erzeugt und den Organismus dann durch seine starke Vermehrung überschwemmt, was weitere verheerende Auswirkungen hat? Leroy, sein Kollege und einige weitere Autoren veröffentlichten ihre Studie 1999; danach wandte er sich anderen Aspekten von Ebola zu: seiner Ökologie und seiner Evolutionsvergangenheit.
    Zur Ökologie des Ebolavirus gehört die Frage nach dem Reservoirwirt: Wo versteckt sich der Erreger zwischen den Epidemien? Eine andere ökologische Frage ist der Übersprung: Auf welchem Weg und unter welchen Voraussetzungen springt das Virus von seinem Reservoirwirt auf andere Tiere über, beispielsweise auf Menschenaffen und Menschen? Diese Fragen zu stellen, ist viel einfacher als die Daten zu gewinnen, die bei ihrer Beantwortung helfen können. Wie erforscht man als Wissenschaftler die ökologischen Eigenschaften eines derart schwer fassbaren Erregers? Leroy und seine Mitarbeiter gingen in den Wald und suchten die Stellen auf, an denen man vor Kurzem mit Ebola infizierte Kadaver von Gorillas oder Schimpansen gefunden hatte; dort fingen sie dann alle möglichen Tiere mit Fallen. In einem dieser Tiere könnte Ebola sich verstecken – aber in welchem?
    Zwischen 2001 und 2003 unternahm Leroys Arbeitsgruppe mehrere Expeditionen in Regionen Gabuns und der Republik Kongo, in denen es Ebola-Ausbrüche gegeben hatte. Sie fingen, töteten und sezierten mehr als 1000 Tiere, entnahmen ihnen Blutproben und innere Organe. Zu ihrer Ausbeute gehörten 222 Vögel verschiedener Arten, 129 kleine Landsäugetiere (Spitzmäuse und Nager) und 679 Fledertiere. Zu Hause im Labor in Franceville suchten sie in den Proben mit zwei Methoden nach Ebola. Die eine zielte auf den Nachweis ebolaspezifischer Antikörper, die in den Tieren vorhanden sein können, wenn diese auf eine Infektion reagiert haben. Die andere Methode bestand darin, mit PCR (derselben Technik, die man auch bei Kelly Warfield angewandt hatte) nach Bruchstücken des genetischen Materials von Ebola zu suchen. Die konzertierte Suche unter den Fledertieren, die zwei Drittel der gesamten Sammlung

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