Spin
zurechtgekommen als die Erde, doch das liegt allein darin begründet, dass wir seit Beginn unserer Zivilisation gezwungen waren, ihm ins Auge zu blicken. Beide Planeten sind mit der Möglichkeit eines ökonomischen Zusammenbruchs und damit eines verheerenden Massensterbens konfrontiert, beide Planeten wurden eingehüllt, bevor dieser Punkt erreicht war. Vielleicht haben die Hypothetischen diese Wahrheit über uns begriffen, vielleicht hat das ihre Handlungsweise beeinflusst. Aber wir haben darüber keinerlei Gewissheit. Auch wissen wir nicht, was sie von uns erwarten, falls sie denn etwas erwarten, oder wann beziehungsweise ob der Spin überhaupt jemals beendet werden wird. Wir können das alles nicht wissen, wenn wir nicht mehr direkte Informationen über die Hypothetischen sammeln.« Die Kamera zoomte Wun noch näher heran. »Und es gibt eine Möglichkeit, diese Informationen zu erlangen. Ich bin hierher gekommen mit einem Vorschlag, den ich mit Präsident Garland ebenso wie mit dem neugewählten Präsidenten Lomax sowie anderen Staatsoberhäuptern diskutiert habe.« In groben Zügen skizzierte er den Replikatorenplan und sagte dann: »Mit etwas Glück werden wir so erfahren, ob die Hypothetischen sich noch anderer Welten angenommen haben, wie diese Welten darauf reagiert haben und welches Schicksal der Erde letzten Endes beschieden sein mag.«
Als er begann, über die Oortsche Wolke und »autokatalytische Rückkopplungstechnologie« zu sprechen, sah ich, wie Carols Augen glasig wurden. »Das ist doch alles nicht möglich«, sagte sie dann, nachdem Wun unter Applaus das Podium verlassen hatte und nun im Studio alle möglichen Experten seine Rede wiederkäuten. »Ist irgendetwas wahr an dem, was der Mann gesagt hat, Jason?«
»So ziemlich alles ist wahr«, erwiderte Jason ruhig. »Für das Wetter auf dem Mars kann ich mich allerdings nicht verbürgen.«
»Stehen wir wirklich am Rand einer Katastrophe?«
»Wir stehen am Rand einer Katastrophe, seit die Sterne ausgegangen sind.«
»Ich meine, wegen dem Öl und allem. Wenn der Spin nicht gekommen wäre, würden wir alle verhungern?«
»Es gibt Menschen, die tatsächlich verhungern. Sie müssen verhungern, weil wir nicht in der Lage sind, sieben Milliarden Menschen auf dem nordamerikanischen Wohlstandsniveau zu halten, ohne den ganzen Planeten auszuplündern und zu ruinieren. Gegen die Zahlen kann man schwer anargumentieren. Ja, es ist wahr. Falls der Spin uns nicht tötet, werden wir es früher oder später mit einem globalen Massensterben zu tun bekommen.«
»Und das hat etwas mit dem Spin selbst zu tun?«
»Vielleicht, aber das wissen weder ich noch der Marsianer mit letzter Sicherheit.«
»Du machst dich über mich lustig.«
»Nein.«
»Doch. Aber ist schon okay. Ich weiß, wie unwissend ich bin. Es ist Jahre her, seit ich zuletzt in eine Zeitung geguckt habe, es bestand immer das Risiko, darin auf das Gesicht deines Vaters zu stoßen. Und das Einzige, was ich mir in der Glotze ansehe, sind die Soaps am Nachmittag. Da gibt es keine Marsmenschen. Ich bin wohl so eine Art Rip van Winkle. Ich habe zu lange geschlafen. Und die Welt, die ich beim Aufwachen vorfinde, gefällt mir nicht besonders. Das, was an ihr nicht erschreckend ist, ist…« Sie deutete auf den Fernseher. »Ist grotesk.«
»Wir alle sind Rip van Winkle«, sagte Jason. »Wir alle warten darauf, aufzuwachen.«
Carols Gemütsverfassung verbesserte sich gemeinsam mit Jasons Gesundheitszustand, und sie interessierte sich zunehmend für seine Prognose. Ich gab ihr einige grundlegende Informationen über die AMS, eine Krankheit, die noch nicht formell diagnostiziert worden war, als Carol ihren medizinischen Abschluss gemacht hatte, und umging auf diese Weise Fragen zur Behandlung selbst, ein stillschweigendes Abkommen zwischen uns, das sie als solches zu begreifen und zu akzeptieren schien. Entscheidend war, dass Jasons schwer gezeichnete Haut abheilte und die Blutproben, die ich an ein Labor in Washington schickte, eine drastische Abnahme der neuralen Plaqueproteine auswiesen.
Sie zeigte jedoch weiterhin wenig Neigung, über den Spin zu sprechen, und wirkte unglücklich, wenn Jason und ich es in ihrer Gegenwart taten. Wieder einmal musste ich an das Housman-Gedicht denken, das Diane mir vor vielen Jahren beigebracht hatte: Das Kind hat nicht mal wahrgenommen / Wie’s in den Bauch des Bär’n gekommen.
Carol war in ihrem Leben von diversen Bären bedrängt worden, darunter einige so groß
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