Spin
Rasen, und dort bemerkte ich Diane zum ersten Mal auf diese besondere Weise – zum ersten Mal empfand ich Freude, ihr einfach nur zuzusehen. Sie rannte mit St. Dog durch die Gegend, bis sie nicht mehr konnte, und St. Dog wartete immer geduldig, während sie Atem schöpfte. Sie kümmerte sich aufopfernd um den Hund, war seine zentrale, wenn nicht die einzige Bezugsperson, hatte sogar ein Gespür dafür, wie er aufgelegt war (was umgekehrt natürlich ebenso galt).
Ich hätte nicht sagen können, warum mir das an ihr gefiel. Aber in der angespannten, emotional aufgeladenen Welt der Lawtons schuf sie damit eine Oase unkomplizierter Zuneigung. Als Hund wäre ich vielleicht eifersüchtig gewesen, so aber gewann ich den Eindruck, dass Diane etwas Besonderes war, in nicht unerheblicher Hinsicht anders als ihre Familie. Sie begegnete der Welt mit einer emotionalen Offenheit, die die anderen Lawtons verloren oder nie besessen hatten.
St. Augustine starb unerwartet und viel zu früh – er war kaum aus dem Welpenstadium heraus – im Herbst jenes Jahres. Diane war untröstlich, und ich begriff, dass ich in sie verliebt war… Nein, so klingt es wirklich makaber. Ich verliebte mich nicht in sie, weil sie um ihren Hund trauerte. Sondern ich verliebte mich in sie, weil sie fähig war, um den Hund zu trauern, während alle anderen entweder gleichgültig oder sogar heimlich erleichtert waren, dass St. Augustine endlich wieder aus dem Haus verschwunden war.
Sie wandte sich vom Bett ab, blickte zum sonnigen Fenster. »Es hat mir das Herz gebrochen, als er starb.«
Wir begruben St. Dog in dem Wäldchen hinter dem Rasen. Diane errichtete aus Steinen einen kleinen Grabhügel, den sie in jedem Frühjahr erneuerte, bis sie zehn Jahre später von zu Hause fortging.
Und sie betete am Grab, immer zum Wechsel der Jahreszeiten, still, die Hände gefaltet. Zu wem sie betete und wofür, das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, was man macht, wenn man betet. Ich glaube nicht, dass ich dazu in der Lage wäre.
Aber das war der erste Hinweis für mich, dass Diane in einer Welt lebte, die größer war als das Große Haus, in einer Welt, in der Freud und Leid sich so schwerfällig bewegten wie die Gezeiten, mit dem Gewicht eines ganzen Ozeans dahinter.
In der Nacht kehrte das Fieber zurück. Ich erinnere mich an nichts mehr außer an eine stetig – in Stundenabständen – wiederkehrende Angst, dass die Substanz mehr Erinnerung löschen würde, als ich je wiedererlangen könnte; ein Gefühl von unwiederbringlichem Verlust, verwandt mit jenen Träumen, in denen man vergebens nach einer verlorenen Brieftasche, einer Uhr, einem wertvollen Besitz, dem Gefühl für sich selbst sucht. Ich meinte zu spüren, wie das marsianische Mittel in meinem Körper arbeitete, wie es neue Angriffe startete und vorläufige Waffenstillstände mit meinem Immunsystem vereinbarte, zelluläre Brückenköpfe errichtete, feindliche Chromosomsequenzen isolierte.
Als ich wieder zu mir kam, war Diane nicht da. Vom Schmerz abgeschirmt durch das Morphium, das sie mir gegeben hatte, stieg ich aus dem Bett und schaffte es, zur Toilette zu gehen. Danach schlurfte ich auf den Balkon hinaus.
Abendessenszeit. Die Sonne war noch da, aber der Himmel zeigte bereits ein dämmriges Blau. Die Luft roch nach Kokosmilch und Dieseldämpfen. Im Westen glitzerte der große Torbogen wie gefrorenes Quecksilber.
Plötzlich spürte ich wieder den Wunsch zu schreiben, wie ein Echo des Fiebers. Ich trug den Notizblock bei mir, den ich schon zur Hälfte mit kaum zu entzifferndem Gekritzel bedeckt hatte. Ich würde Diane bitten müssen, mir einen neuen zu kaufen. Vielleicht gleich mehrere. Die ich dann mit Worten bedecken würde.
Worte wie Anker. Um Boote der Erinnerung festzumachen, die anderenfalls vom Sturm weggespült würden.
WELTUNTERGANGSGERÜCHTE ERREICHEN DIE BERKSHIRES
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Nach der Rodelparty sah ich Jason einige Jahre lang nicht. Wir blieben aber in Kontakt und trafen uns wieder in dem Jahr, in dem ich meinen Abschluss in Medizin machte, in einem für den Sommer gemieteten Haus in den Berkshires, etwa zwanzig Minuten von Tanglewood entfernt.
Ich war ausreichend beschäftigt gewesen. Ich hatte vier Jahre lang das College besucht, nebenbei Freiwilligendienst in einer Klinik geleistet und, lange bevor ich ihn absolvieren sollte, mit der Vorbereitung für den MCAT, den Aufnahmetest fürs weiterführende College, begonnen. Mein Notendurchschnitt, das MCAT-Ergebnis sowie ein
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