Spin
Berechnung.«
»Sie beschreiben das sehr schön.«
»Nicht halb so schön, wie Jason es beschrieben hat. Es war, als sei er in die Welt verliebt, jedenfalls in ihre Strukturen. Die Musik in ihr. Aua!«
»Entschuldigung. Und Diane war in Jason verliebt?«
»Verliebt darin, seine Schwester zu sein. Stolz auf ihn.«
»Und waren Sie darin verliebt, sein Freund zu sein?«
»Vermutlich.«
»Und verliebt in Diane.«
»Ja.«
»Und sie in Sie.«
»Vielleicht. Ich habe es gehofft.«
»Was, wenn ich fragen darf, ist dann schief gelaufen?«
»Wie kommen Sie darauf, dass irgendetwas schief gelaufen sei?«
»Sie sind offensichtlich noch immer verliebt. Sie beide, meine ich. Aber nicht so wie ein Mann und eine Frau, die seit vielen Jahren zusammen sind. Etwas muss Ihrem Zusammensein im Weg gewesen sein… Entschuldigen Sie, ich bin ganz furchtbar aufdringlich.«
Ja, etwas war uns im Weg gewesen. Vieles. Am augenfälligsten, nehme ich an, der Spin. Er hatte ihr so viel Angst gemacht, aus Gründen, die ich nie richtig begriffen hatte; als sei der Spin eine Herausforderung und eine Absage an alles, was ihr Sicherheit gab. Was gab ihr Sicherheit? Der ordentliche Gang des Lebens: Freunde, Familie, Arbeit – eine Art fundamentaler Verständigkeit in der Einrichtung der Welt, die im Großen Haus von E. D. und Carol Lawton bereits ziemlich prekär gewirkt haben muss, mehr ersehnt als wirklich gegeben.
Das Große Haus hatte sie betrogen, und schließlich hatte sogar Jason sie betrogen. Immer noch präsentierte er ihr wissenschaftliche Ideen wie ein ausgefallenes Geschenk, aber was früher zu ihrer Beruhigung beigetragen hatte – die behaglichen Durakkorde Newtons und Euklids –, wurde nun immer fremder und befremdlicher: die Planck-Länge (unterhalb derer sich die Dinge nicht mehr verhielten wie Dinge); schwarze Löcher, von ihrer eigenen unergründbaren Dichte in eine Sphäre jenseits von Ursache und Wirkung gebannt; ein Universum, das sich nicht nur immer weiter ausdehnte, sondern auch beschleunigte, seinem eigenen Verfall entgegen. Wenn sie ihre Hand auf das Fell ihres Hundes lege, so erzählte sie mir einmal, als St. Augustine noch lebte, dann wolle sie seine Wärme und Lebendigkeit spüren – nicht seine Herzschläge zählen oder sich die riesigen Zwischenräume zwischen den Atomkernen und den Elektronen vergegenwärtigen, die sein körperliches Dasein begründeten. St. Dog sollte er selbst und ein Ganzes sein, nicht die Summe seiner furchterregenden Teile, nicht ein flüchtiges evolutionäres Epiphänomen im Leben eines sterbenden Sterns. In ihrem Leben gebe es wenig genug Liebe und Zuneigung, daher müsse jedes bisschen davon gutgeschrieben und im Himmel eingelagert werden, als Vorrat für den Winter des Universums.
Als dann der Spin kam, muss er ihr wie eine monströse Bestätigung für Jasons Weltbild erschienen sein – um so mehr, als er sich so obsessiv damit beschäftigte. Offensichtlich gab es intelligentes Leben in anderen Teilen der Galaxis, und es hatte, ebenso offensichtlich, keinerlei Ähnlichkeit mit dem unserem. Es war stark und mächtig, erschreckend geduldig und absolut gleichgültig gegen den Schrecken, den es der Welt eingejagt hatte. Wenn man sich die Hypothetischen vorstellen wollte, konnte man sich vielleicht hyperintelligente Roboter oder undurchschaubare Energiewesen ausmalen, niemals aber die Berührung einer Hand, einen Kuss, ein warmes Bett oder ein tröstendes Wort.
Also hatte sie den Spin auf eine zutiefst persönliche Weise gehasst, und ich glaube, es war dieser Hass, der sie Simon Townsend und der NK-Bewegung in die Arme getrieben hatte. In der NK-Theologie wurde der Spin zu einem zwar heiligen, aber auch untergeordneten Ereignis erklärt: groß, aber nicht so groß wie der Gott Abrahams; schockierend, aber nicht so schockierend wie ein gekreuzigter Erlöser, wie eine leere Grabkammer.
Ich erzählte Ina einiges davon. Sie sagte: »Ich bin natürlich keine Christin. Ich bin nicht einmal muslimisch genug, um die örtlichen Behörden zufriedenzustellen. Vom westlichen Atheismus korrumpiert, das bin ich. Aber sogar im Islam gab es solche Bewegungen. Leute, die irgendwas über Imam Mehdi und Ad-Dajjal dahergeplappert haben, über Gog und Magog, die den See von Galiläa leer trinken. Weil sie dachten, damit könnten sie die Welt besser erklären. So. Ich bin fertig.« Sie hatte meine Fußsohlen abgerieben. »Haben Sie diese Dinge von Diane schon immer gewusst?«
In welchem Sinne
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