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Spin

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Titel: Spin Kostenlos Bücher Online Lesen
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beinahe gemütlich. Ich stapelte unsere Hartschalenkoffer in eine Ecke und verwendete sie, auf einer Schilfmatte sitzend, als eine Art Schreibtisch. Das hohe Fenster ließ ein bisschen Sonnenlicht ins Zimmer strömen.
    Und es ließ auch einen einheimischen Schuljungen ins Zimmer blicken, dessen Augen ich bereits zweimal auf mich gerichtet gesehen hatte. Als ich Ina davon berichtete, nickte sie, verschwand kurz und kehrte wenig später mit dem Jungen im Schlepptau zurück. »Das ist En«, sagte sie und warf ihn mir, durch den Vorhang hindurch, praktisch in die Arme. »En ist zehn Jahre alt. Er ist sehr gescheit. Er möchte einmal Arzt werden. Außerdem ist er der Sohn meines Neffen. Unglücklicherweise ist er mit großer Neugier geschlagen, was manchmal zu Lasten der Vernunft geht. Er ist auf die Mülltonne geklettert, um zu sehen, was ich in meinem Hinterzimmer versteckt habe. Unverzeihlich. Entschuldige dich bei meinem Gast, En.«
    En ließ den Kopf so tief hängen, dass ich Sorge hatte, seine riesige Brille würde ihm von der Nase rutschen. Er murmelte etwas vor sich hin.
    »Auf Englisch«, sagte Ina.
    »Sorry!«
    »Nicht sehr elegant, aber inhaltlich korrekt. Vielleicht kann En etwas für Sie tun, Pak Tyler, um sein schlechtes Benehmen wieder gutzumachen?«
    En war offensichtlich in der Bredouille. Ich versuchte, ihn daraus zu befreien. »Außer meine Privatsphäre zu achten, wüsste ich nichts.«
    »Ganz bestimmt wird er Ihre Privatsphäre von nun an respektieren – nicht wahr, En?« En wand sich und nickte. »Außerdem habe ich eine Aufgabe für ihn. En kommt fast jeden Tag zur Klinik. Wenn ich nicht zu beschäftigt bin, zeige ich ihm ein paar Sachen. Das Schaubild der menschlichen Anatomie. Das Lackmuspapier, das im Essig seine Farbe verändert. En behauptet, dankbar zu sein für solche Gefälligkeiten.« Ens Nicken bekam einen beinahe spastischen Charakter. »Als Gegenleistung – und als eine Art Wiedergutmachung für seine grobe Missachtung der Budi- Gebote – wird En ab sofort als Beobachtungsposten für die Klinik dienen. En, weißt du, was das bedeutet?«
    En hörte auf zu nicken und blickte argwöhnisch drein.
    »Es bedeutet, dass deine Wachsamkeit und Neugier von nun an einem guten Zwecke dienen werden. Falls irgendjemand ins Dorf kommt und sich nach der Klinik erkundigt – jemand aus der Stadt, meine ich, vor allem, wenn er wie ein Polizist aussieht oder sich so benimmt –, wirst du sofort hergelaufen kommen und mir Bescheid sagen.«
    »Auch wenn ich gerade in der Schule bin?«
    »Ich bezweifle, dass die New Reformasi euch in der Schule belästigen werden. Wenn du in der Schule bist, konzentrier dich auf den Unterricht. Ansonsten, auf der Straße, an einem Warung, wo auch immer, sobald du etwas siehst oder mithörst, was mich oder die Klinik oder Pak Tyler – von dem du nicht sprechen darfst – betrifft, kommst du sofort hierher. Hast du verstanden?«
    »Ja«, erwiderte En und murmelte noch etwas, das ich nicht verstand.
    »Nein«, sagte Ina schnell, »Zahlungen sind damit nicht verbunden. Was für eine beschämende Frage! Allerdings, falls ich zufrieden bin, könnten gewisse Vergünstigungen folgen. Im Augenblick bin ich ganz und gar nicht zufrieden.«
    En sauste davon, und sein übergroßes weißes T-Shirt flatterte hinter ihm her.
     
    In der Dunkelheit einer regnerischen Nacht wusch mich Ibu Ina, rieb und spülte einen Sumpf abgestorbener Haut von meinem Körper.
    »Erzählen Sie mir etwas von ihnen, an das Sie sich erinnern. Erzählen Sie mir, wie es war, zusammen mit Diane und Jason Lawton aufzuwachsen.«
    Ich dachte darüber nach. Oder besser gesagt, ich tauchte in den trüben Teich der Erinnerung, um dort etwas Geeignetes für sie zu finden, etwas, das nicht nur wahr, sondern auch irgendwie bezeichnend war. Ich bekam nicht genau das zu fassen, was ich wollte, aber es trieb doch etwas an die Oberfläche: ein sternenheller Himmel, ein Baum. Der Baum war eine Silberpappel, dunkel und geheimnisvoll. »Einmal sind wir zelten gefahren«, sagte ich. »Das war vor dem Spin, aber nicht lange.«
    Es war angenehm, die tote Haut abspülen zu lassen, jedenfalls zuerst, denn die freigelegte neue Haut war extrem empfindlich. Die erste Berührung des Schwamms war lindernd, die zweite fühlte sich an wie Jod auf einer feinen Fleischwunde. Inawar sich dessen bewusst.
    »Sie drei? Waren Sie nicht noch ein bisschen jung dafür, ein Zeltausflug, ich meine, nach den Gepflogenheiten dort, wo Sieherkommen? Oder

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