Spin
Einrichtung, die die Regierung Chaykin wie einen Hammer zu schwingen wusste.
Und falls sie nach mir suchten – bedeutete das, dass sie Jala, Inas Ex-Mann, gefunden und verhört hatten? Bedeutete es, dass sie Diane bereits verhaftet hatten?
En stürzte in ein dunkles Sprechzimmer. Seine Stirn kollidierte mit den Haltern eines Untersuchungstisches, er prallte zurück und setzte sich auf den Hintern. Als ich bei ihm ankam, weinte er lautlos, völlig verunsichert. Der Striemen über seiner linken Augenbraue sah wüst aus, aber nicht gefährlich.
Ich legte meine Hände auf seine Schultern. »En, sie ist nicht hier. Wirklich wahr. Sie ist wirklich, ehrlich nicht hier. Und sie möchte unter Garantie nicht, dass du hier im Dunkeln sitzt und wartest, während irgendetwas Schlimmes passiert. Das würde sie wirklich nicht wollen, oder?«
»Uhum«, konzedierte En.
»Also läufst du jetzt nach Hause, okay? Du läufst nach Hause und bleibst dort. Ich kümmere mich hier um dieses Problem, und wir beide sehen dann Ibu Ina morgen wieder. Ja?«
En versuchte, den ängstlichen Blick gegen einen kritisch abwägenden zu tauschen. »Ich glaube ja«, sagte er.
Ich half ihm auf die Füße. Und dann ertönte vor der Klinik das Geräusch von Autoreifen, die auf dem Kies knirschten.
Geduckt eilten wir ins Empfangszimmer, wo ich durch die Bambusjalousien spähte, während En hinter mir stand, die kleinen Hände in mein T-Shirt gekrallt.
Das Auto lief im Leerlauf. Ich konnte die Marke nicht erkennen, aber es schien relativ neu zu sein, dem tiefblauen Glanz im Mondschein nach zu urteilen. Im Wageninnern leuchtete es kurz auf, vielleicht ein Zigarettenanzünder. Dann ein viel helleres Licht, eine Stablampe, die aus dem Beifahrerfenster gehalten wurde. Sie strahlte durch die Jalousie hindurch und warf wogende Schatten über die Hygieneplakate an der Wand gegenüber. Wir zogen die Köpfe ein.
»Pak Tyler«, wimmerte En.
Ich schloss die Augen und stellte fest, dass es mir schwer fiel, sie wieder zu öffnen. Hinter meinen Lidern sah ich Windmühlen und Sternregen. Das Fieber wieder. Ein kleiner Chor von inneren Stimmen wiederholte: Das Fieber wieder, das Fieber wieder… Mir zum Hohn.
»Pak Tyler!«
Das war verdammt schlechtes Timing. (Schlechtes Timing, schlechtes Timing… ) »Geh zur Tür, En. Zur Seitentür.«
»Kommen Sie mit!«
Ein guter Rat. Ich warf noch einen Blick durchs Fenster. Der Scheinwerfer war ausgegangen. Dann führte ich En den Flur entlang, an den Vorratschränken vorbei, zur Seitentür, die er offengelassen hatte. Die Nacht war trügerisch still, trügerisch einladend; eine Fläche festgetretenen Bodens, ein Reisfeld, der Wald, Palmen, schwarz im Mondschein, ihre Kronen sanft hin und her wogend.
Zwischen uns und dem Auto befand sich das Klinikgebäude. »Lauf geradewegs zum Wald«, sagte ich.
»Ich kenne den Weg.«
»Halt dich von der Straße fern. Versteck dich, wenn nötig.«
»Kommen Sie mit mir.«
»Ich kann nicht«, sagte ich, und das war wortwörtlich gemeint. In meinem gegenwärtigen Zustand war die Vorstellung, hinter einem Zehnjährigen herzusprinten, völlig absurd.
»Aber…«
Ich gab ihm einen kleinen Stoß und sagte, er solle keine Zeit vergeuden.
Er rannte, ohne zurückzublicken, verschwand mit fast erschreckender Geschwindigkeit im Schatten, still, klein, bewundernswert. Ich beneidete ihn. In der darauf folgenden Stille hörte ich, wie eine Autotür geöffnet, dann wieder geschlossen wurde.
Der Mond war drei Viertel voll, er wirkte rötlicher und ferner als früher, zeigte ein anderes Gesicht, als ich aus meiner Kindheit in Erinnerung hatte. Kein Mann im Mond mehr, und diese dunkle ovale Narbe auf der Oberfläche, dieses neue, aber inzwischen schon uralte Mare, war das Ergebnis eines gewaltigen Aufpralls, der vom Pol bis zum Äquator Regolith zum Schmelzen gebracht und die sanfte Spiralbewegung des Mondes von der Erde weg abgebremst hatte.
Hinter mir hörte ich die Polizisten – zwei, vermutete ich – gegen die Eingangstür hämmern. In barschem Ton begehrten sie Einlass, rüttelten am Schloss.
Ich fasste die Möglichkeit ins Auge, loszurennen. Ich glaubte rennen zu können – nicht so flink wie En, aber jedenfalls weit genug. Bis zum Reisfeld etwa. Um mich dort zu verstecken und das Beste zu hoffen.
Doch dann dachte ich an das Gepäck im Zimmer. Gepäck, das nicht nur aus Kleidung bestand, sondern auch aus Notizheften und Disketten, kleinen Digitalspeichern und verräterischen
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