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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherm
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geführt wurden, waren völlig verwaist. Kein einziger Mitarbeiter kreuzte ihren Weg. Hatte man die Gänge extra gesäubert? Paul kam die Sache mit jedem Schritt merkwürdiger vor. Als sie auf der Rückbank des Polizeiwagens mit auf den Rücken gefesselten Händen durch die Stadt transportiert wurden, wurde ihm immer klarer, dass sie in einer Falle saßen. Waren das wirklich deutsche Polizeibeamte? Der Wagen war zwar mit den üblichen Kommunikationsgeräten ausgerüstet, aber die Beamten setzten keinen einzigen Funkspruch ab. Das Fahrzeug schien überhaupt nicht in das Polizeifunknetz eingebunden zu sein. Die Funkanlage blieb den ganzen Weg über stumm. Paul war gespannt, wo sie schließlich landen würden. »Wohin bringen Sie uns eigentlich jetzt? Und wozu die Handschellen?«, fragte er gereizt.
    Die Polizisten gaben keine Antwort. Sie drehten sich nicht einmal zu ihm um.
    »Sie haben kein Recht, uns Handschellen anzulegen. Bei dem Vergehen, das Sie uns vorwerfen, haben Sie kein Recht dazu!«, legte Paul nach.
    Ohne sich umzudrehen, ließ sich der Polizist auf dem Beifahrersitz zu einer Antwort herab.
    »Warten Sie, bis wir auf dem Revier sind, dann nehmen wir Ihnen die Handschellen ab.«
    »Wie ist Ihr Name? Ich werde eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Sie einlegen! Da können Sie sicher sein!« Paul war verärgert. Es war ein Unding, dass man sie wie Verbrecher behandelte. Sie hatten sich in ein Unternehmen eingeschlichen und herumgeschnüffelt. Das war schließlich kein Einbruch. Hausfriedensbruch oder versuchte Industriespionage war das Maximum, was man ihnen vorwerfen konnte. Aber nichts, was eine solche Behandlung rechtfertigte.
    Die beiden Beamten ignorierten Pauls Drohung. Inzwischen waren sie über eine halbe Stunde quer durch Berlin unterwegs. Dabei waren sie an mehreren Polizeirevieren vorbeigekommen, ohne dass die Beamten gestoppt hätten. Das Ganze kam Paul immer mysteriöser vor.
    Weitere zehn Minuten später bog das Fahrzeug in eine kleine Seitenstraße ein und hielt vor einem großen stählernen Tor, neben dem ein kleines, schmutziges grünes Wachhäuschen stand.
    »Das ist doch kein Polizeirevier! Das ist doch eine Kaserne! Warum zum Teufel bringen Sie uns in eine Kaserne?«, fragte Paul. Seine Frage blieb unbeantwortet. Das Tor öffnete sich automatisch und der Polizeiwagen rollte über einen weiten, mit schweren Betonplatten ausgelegten, verlassenen Innenhof. Der Hof taugte mit seinen gigantischen Abmessungen als Exerzierplatz für mehrere Kompanien. Dunkelgraue Gebäude, die ihn von drei Seiten lückenlos umklammerten, verstärkten die Trostlosigkeit der Szenerie. Die verschiedenen Gebäudetrakte waren mit großen, weißen Nummern und Buchstaben gekennzeichnet. Der Kennzeichnung nach zu schließen, handelte es sich um eine ehemalige Kaserne der US-Armee.
    Am Fuß eines mächtigen steinernen Treppenaufgangs, der von zwei schwerbewaffneten Männern in schwarzen Uniformjacken bewacht wurde, kam der Polizeiwagen zum Stehen. Die Polizisten zerrten Sarah und Paul aus dem Fahrzeug und übergaben sie den beiden Uniformierten, die sie wortlos entgegennahmen und über die Stufen zum Eingang des Gebäudes nach oben zerrten.
    Paul kamen die Uniformen der Männer merkwürdig vor. Die Jacken waren in Farbe und Schnitt identisch, aber die Hosen und Schuhe wiesen einen unterschiedlichen Farbton und Schnitt auf und gaben den beiden eher das Aussehen von Söldnern. Auf keinen Fall handelte es sich hier um reguläre Angehörige der US-Armee oder der Bundeswehr. Auf den Brusttaschen der Jacken war mit grauem Garn eine Raubtierklaue eingestickt. Paul hatte dieses Zeichen schon einmal irgendwo gesehen, konnte sich aber nicht mehr erinnern, in welchem Zusammenhang.
    Im Inneren des Gebäudes herrschte wider Erwarten ein reges Treiben. Männer und Frauen in grauen Business-Anzügen eilten durch die Gänge, ohne sie zu beachten. Überall standen martialisch wirkende Söldner, die ihre schweren Waffen betont lässig präsentierten und keinen Zweifel daran ließen, dass sie nicht einen Augenblick zögern würden, sie einzusetzen.
    Jetzt war sich Paul absolut sicher, dass das, was mit ihnen geschah, nichts mit einer normalen Polizeiaktion zu tun hatte. Sie mussten alles versuchen, aus der Situation zu entkommen, wenn sie überleben wollten. Er begann, sich mit allen Kräften zu wehren. Aber mit den Handschellen hatte er keine Chance. Die Söldner brachen seinen Widerstand mit Leichtigkeit und schleppten ihn in einen

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