Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)
Verfahren hatte man dafür eingesetzt? Wie war eine derart hohe Auflösung überhaupt möglich?
Sein neuestes Mikroskop, das LSM Meta, schaffte es bis auf die Zellebene. Aber es konnte bei weitem nicht die atomare Ebene darstellen. Er suchte im Menü des Players nach Informationen, die ihm diese Frage vielleicht beantworten konnten. Im Menü Datei gab es einen Menüpunkt »Eigenschaften«. Als er ihn anklickte, erschien ein Fenster, das Angaben zur Dateigröße, zur Auflösung und zum Inhalt des Films enthielt. Unter »Inhalt« war eine kurze Notiz abgelegt: »Mark S.; ID 14622005; Situation nach Combat Training; Rechter vorderer Scheitellappen und Stammhirn; Koordinaten: X 274,16, Y 567,02, Z 432,00«.
Paul war wie elektrisiert. Er startete den Film erneut und konzentrierte den Zoom auf das winzige, längliche Objekt, das seine Bahn durch die Nervenzellen zog. Jetzt hatte er das Objekt bildfüllend vor sich und konnte seine Konturen genau erkennen. Es bestand aus nur wenigen Molekülen und schien sich aus eigener Kraft mit Hilfe einer Art von Geißel zu bewegen. An seiner Spitze bildete sich ein Wirbel aus Molekülen, der fast wie eine Bugwelle aussah.
Fasziniert wechselte Paul den Zoom und sah sich die Umgebung des Objekts in der höchsten Auflösung an. Es kam ihm vor, als hätten sich die Hirnbereiche, die das Objekt durchquert hatte, in ihrer Struktur verändert. Er benutzte ein Icon der Menüleiste, das wie ein kleiner Fotoapparat aussah, um ein paar Standbilder aus dem Film zu grabben. Mit ihrer Hilfe konnte er die Hirnbereiche vor und nach der Durchfahrt des Objekts in Ruhe miteinander vergleichen. Es war eindeutig, nachdem das Objekt einen Bereich durchquert hatte, schien der Hirnbereich in seiner Struktur verändert. Hatte das Objekt diese Veränderungen bewirkt?
Er startete den Player noch einmal und sah sich den kompletten Film ein weiteres Mal an. Dabei wechselte er den Zoom immer wieder und schaltete zwischen normaler Geschwindigkeit und Zeitlupe hin und her, damit er den Weg des Objekts durch die Hirnstruktur genau verfolgen konnte. Jetzt konnte er sehen, dass das Objekt einen komplizierten Zickzackkurs durch die Hirnregion beschrieb und auf diesem Kurs die Strukturen der Region veränderte. Er machte noch ein paar Screenshots und schickte sie auf den Drucker.
Dann öffnete er noch einmal das Menü »Eigenschaften« und sah sich die Dateigröße an. 1.200 Gigabyte. Er hatte sich also wirklich beim ersten Blick in das Menü nicht getäuscht. Es war kein Fehler in der Anzeige gewesen. Der Film hatte tatsächlich die gigantische Größe von 1.200 GB. Für einen kleinen MRT-Film von rund zwei Minuten Länge eine enorme Größe. 1.200 GB für zwei Minuten. Sie mussten also bei GDT in der Lage sein, ungeheure Speicherkapazitäten und Datenflussraten zu handhaben. Und auch die Auflösung des Monitors war in einem Bereich angesiedelt, den er bisher nie gesehen hatte. Das System musste eine sehr hohe Performance haben, um diese Darstellung zu ermöglichen. Paul klickte auf der Suche nach Angaben zur Prozessorleistung die System-Programme durch, konnte aber nichts finden. Wahrscheinlich stellte der Zentralrechner die erforderliche Rechenleistung zur Verfügung. Seiner Schätzung nach musste sich diese im Bereich von mehreren Tausend Teraflops bewegen. Eine Leistung, zu der derzeit nicht einmal die schnellsten ihm bekannten Rechenzentren in den USA in der Lage waren.
Paul durchsuchte den Desktop nach weiteren Daten. Nach wenigen Minuten hatte er einen Ordner gefunden, der eine ganze Reihe von ähnlichen Filmen enthielt. Er holte einige der Filme auf dem Bildschirm und schaute sich die Dateiinformationen an. Sie trugen alle die Bezeichnung »Mark S.« und die entsprechende ID-Nummer. Ein kurzer Vermerk enthielt Angaben zur dargestellten Hirnregion, zur Situation und zu den Koordinaten.
Paul startete die Suchfunktion des Betriebssystems und gab die ID-Nummer als Suchbegriff ein. Das Programm lieferte eine ganze Reihe von Treffern. Darunter auch die Mitschnitte und Transkripte aller Interviews, die mit Mark im Rahmen des Alzheimer-Projekts geführt worden waren, sowie die dazugehörenden Auswertungen und Analysen. Paul überflog einige der Skripte im Schnelldurchlauf. Sie erschienen ihm wert, genauer gelesen zu werden. Deshalb kopierte er die Dateien auf seinen USB-Stick, den er wie immer bei sich trug. Zu gern hätte er auch einen der Filme kopiert, aber aufgrund der riesigen Datenmenge hatte er nicht den
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