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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherm
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sie zum Einschlafen getrunken hatte, hingen noch nach. Immer wieder tastete sie nach ihrem Handy und holte sich die zusätzlichen neun Minuten Schlaf, die die Schlummerfunktion des Weckmodus dem Schläfer zugestand. Als sie es endlich schaffte, aufzustehen, war es 9:11 Uhr. Um 10:15 Uhr war sie mit Paul im Foyer von Gene Design Technologies verabredet. Sie hatte noch vier bis fünf Minuten, dann musste sie sich auf den Weg zur U-Bahn machen.
    Hastig stieg sie in ihre Klamotten, packte ihre Handtasche und verließ im Stil eines 50-Kilometer-Gehers die Garage. Sie fühlte sich versifft wie ein Penner. Die Tage in der Garage fingen an, deutliche Spuren zu hinterlassen. Sie strich ihre Bluse glatt, fuhr mit der Hand in ihre linke Achselhöhle und schnupperte dann an ihren Fingern. Es war deutlich, sie roch nach Schweiß. Sie kramte in ihrer Handtasche und fand einen Deostick. Nach einem kurzen Blick in die Runde, schob sie den Stick einfach unter ihre Bluse und schmierte sich das Deo unter die Achseln. Niemand im U-Bahnwagen schien auch nur im Geringsten erstaunt darüber. Das war hier anscheinend vollkommen normal. Sarah war erleichtert, holte ihre Schminkutensilien aus der Tasche und fing an, sich zu schminken, wobei sie versuchte, die Fensterscheibe der U-Bahn als Spiegel zu benutzten. Durch die wechselnden Beleuchtungsverhältnisse hatte sie jedoch Schwierigkeiten, den erforderlichen Kontakt mit ihrem Spiegelbild zu halten. Eine junge Frau gegenüber bemerkte ihre Probleme und streckte ihr wortlos eine CD entgegen. Sarah brauchte eine Sekunde, bis sie verstand, wie das gemeint war. Dann nahm sie die Silberscheibe dankend entgegen und benutzte sie als Spiegel. Zu ihrem Erstaunen funktionierte es perfekt und nach wenigen Minuten hatte sie Augen und Lippen geschminkt und war sogar einigermaßen mit dem Ergebnis zufrieden.
    Sie gab die CD zurück, lehnte sich in die Ecke der Sitzbank und schloss die Augen, um für einen Moment zu entspannen.
    »Ich würde dich jetzt gern mit zu mir nach oben nehmen, aber es geht leider nicht«, hatte Paul mit leiser Stimme zu ihr gesagt, als sie nach dem Kneipenbesuch in ihrem Auto vor seinem Haus saßen. Und nach einer kurzen Pause hatte er erklärend hinzugefügt: »Mein Vater ist krank. Ich weiß nicht, aber ich glaube, es wäre nicht richtig. Ich werde dir das erklären, wen wir uns das nächste Mal sehen.« Dann hatte er sich zu ihr gebeugt und seine Lippen zum Abschied sanft an ihre Wange gelegt.
    Für einen Moment hatte sie Lust gehabt, ihn zu einer schnellen Nummer im Auto zu verführen. Sie wusste, dass Paul nicht der Typ dafür war. Er war die sanfte Ausgabe Mann, äußerlich stark, durchtrainiert und mutig, aber innerlich sensibel. Aber genau das gefiel ihr und erhöhte für sie den Reiz, ihn zu einem kleinen Tabubruch zu verführen. Sie hatte sich dann aber doch dagegen entschieden und hatte nur seinen Kuss erwidert, ebenso leicht und angedeutet, wie er es getan hatte. Dabei hatte sie auch daran gedacht, dass sie in der Garage keine Möglichkeit hatte, sich zu duschen oder etwaige Spermaflecken raus zu waschen.
    Bevor Paul die Autotür zuwarf, hatte er sich noch einmal zu ihr in den Wagen gebeugt und trocken gemeint »Ich bin übermorgen bei GDT, um mich mit dem Leiter der Forschungsabteilung, Jack Cruise, über die Zielrichtung unserer Forschung in den nächsten sechs Monaten abzustimmen. Wenn du Lust hast, kannst du mich zu dem Termin begleiten, dann kannst du dir dein eigenes Bild von Gene Design Technologies machen. Du musst mir nur morgen früh Bescheid geben, ob ja oder nein, dann meld ich dich als meine Assistentin für das Meeting an.«
    »Ich muss da nicht groß überlegen. Klar komm ich mit, wenn das möglich ist. Das lass ich mir doch nicht entgehen!«, hatte sie geantwortet ohne eine Sekunde nachzudenken. »Schick mir eine SMS, wann ich wo sein muss, und ich bin da!« Mit diesen Worten hatte sie ihn noch einmal angelächelt und den Motor gestartet.
    Jetzt war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie es wirklich riskieren sollte, Paul zu GDT zu begleiten. Wenn Gene Design Technologies hinter dem Tod ihres Vaters steckte, bedeutete das ein ziemliches Risiko für sie. Aber schnell wischte sie ihre Bedenken wieder beiseite. Man würde sie sicher nicht gleich bei diesem Besuch töten, wenn man das wirklich vor hatte. Und wenn sie sich einigermaßen geschickt anstellte, konnte sie danach im Trubel der Stadt untertauchen, ohne dass jemand ihr folgen konnte. Darin hatte sie

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