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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherm
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Ansammlung von seltsam geformten Häusern erreichten. Sie erinnerten von ihrem Aussehen her ein bisschen an die Bilder von Hundertwasser, waren aber noch fantasievoller, noch schräger in ihrer Formgebung. Als sie die Ansammlung erreicht hatten, drehte sich Sal zu Mark um und lächelte ihn an. Sie streckte ihre Hand aus und warf ihm ein paar lächelnde Gesichter zu. Das war ihre Methode, in Otherworld zu zeigen, dass sie in anlächelte. »Hier sind wir. Ich möchte dir ein paar Freunde von mir vorstellen. Wir haben ganz am Anfang von Otherworld gemeinsam diese kleine Siedlung gebaut und ganz nach unseren Wünschen eingerichtet. Und niemand hat uns gehindert, das zu tun, niemand hat uns irgendwelche Vorschriften gemacht. Wir konnten frei entscheiden, so wie wir es uns vorgestellt haben. Keine Bauvorschriften, keine Regeln, keine Hindernisse. In Otherworld bist du frei!«
    Mark wusste nicht, was er entgegnen sollte, so überwältigt war er von all den neuen Eindrücken.
    »Dort hinten wohnen Andreas und Gudrun. Ich möchte dir die beiden unbedingt vorstellen.« Sal schwebte voraus auf ein rot leuchtendes Haus zu, das mit reflektierenden Kacheln in Sternform geschmückt war. Als sie sich dem Gebäude näherten, veränderte es seinen Farbeindruck in Abhängigkeit von der Position, die sie zu ihm einnahmen. Als Sal den Eingang erreicht hatte, schwang die Tür automatisch beiseite und sie traten in einen Raum der nahezu keine Möbel enthielt. An einer Wand hing eine riesige weiße Fahne auf die ein roter fünfzackiger Stern gedruckt war in dessen Zentrum über einem Maschinengewehr die Buchstaben RAF gedruckt waren. Das Emblem kam Mark vertraut vor, er hatte es schon öfter gesehen. In der Mitte des Zimmers stand Andreas, an einen schwarzen Tisch gelehnt. Er trug eine dunkle Sonnenbrille und rauchte lässig eine Zigarette. »Ich wollte es immer mal wieder modernisieren lassen, weil mir dieser Kartoffeldruckstil nicht gefällt. Aber im Prinzip kommt’s nicht darauf an. Es spielt vor allem in der heutigen Zeit keine Rolle mehr«, sagte er, als er bemerkte, dass Mark die Fahne anstarrte.
    »Das ist ‚Catcher’, er ist neu hier«, stellte Sal Mark vor.
    »Und, gefällt es dir bei uns?«, fragte Andreas. Mark wählte ein knappes »Ja« in seinem Kommunikationsmenü aus. Die Software hatte mittlerweile Teile seines bisher verwendeten Wortschatzes gespeichert und hielt daneben noch einige Standards bereit, die man nicht immer einzutippen brauchte. »Ich kann es noch nicht genau sagen«, setzte Mark nach einer Weile noch hinzu. »Ich weiß noch zu wenig. Ich weiß noch nicht, was ich davon halten soll, aber es ist interessant.«
    »Hör mir mal gut zu, du kleiner Klugscheißer! Quatsch nicht rum, ‚interessant’, interessant ist gar nichts! Was soll das Geschwätz! Es ist verdammt noch mal Zeit, mit diesen Sprüchen aufzuhören. Jetzt ist Zeit für Action, verstehst du? Es ist Zeit zu handeln. Und entweder du tust was oder du bist und bleibst ein Stück Scheiße!« Andreas hob die Sonnenbrille von den Augen und sah ihn mit stechendem Blick an. »Sicher, unser Kampf hat sich verändert, ist komplexer geworden, aber Erfolgsmeldungen über uns können auch heute nur heißen: verhaftet, ausgelöscht oder tot. Unsere Stärke ist die Entschlossenheit jedes Einzelnen von uns. Wir sind nicht auf der Flucht, und wir sind nicht tot. Wir sind hier, um den Widerstand gegen die bestehende Eigentumsordnung und die fortschreitende Ausbeutung zu organisieren. Der Kampf hat erst begonnen. Und er wird, wenn es nötig ist, bewaffnet sein. Denn wenn wir Gewalt anwenden, beginnen wir keine neue Kette von Gewalttaten, sondern zerbrechen die etablierte. Man wird uns schlagen, aber wir kennen das Risiko. Die Frage ist nur, ob wir gewillt sind, das auf uns zu nehmen.« Er machte eine Pause und sah Mark prüfend an. »Du denkst darüber nach, diese Verantwortung auf dich zu nehmen. Das kann ich spüren! Stimmt es?«
    Mark fühlte, wie er innerlich von einer immer größeren Unruhe gepackt wurde. Wie konnte diese Cyberspace-Figur so viel über ihn wissen? Woher kannte sie ihn? Er öffnete sein Kommunikationsmenü und fing aufgeregt an zu tippen: »Wer bist du? Woher…«. Weiter kam er nicht, Andreas war plötzlich verschwunden. Und als er sich nach Sal umsah, konnte er auch von ihr keine Spur mehr entdecken.

* * *
    Seit mindestens einer halben Stunde versuchte Sarah aufzustehen, schaffte es aber nicht. Sie war einfach zu müde. Die drei Becks, die

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