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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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damals die Schuld auf mich genommen hätte. Ich hätte gestehen können, dass ich eine Schülerin betatscht habe. Ja, und? Ich wäre beruflich erledigt gewesen, ich hätte eine Strafe gekriegt, aber als Geständiger wäre sie erträglich ausgefallen, und so hätte ich ein neues Leben beginnen können. Eines ohne Pensionsansprüche, mag sein. Aber egal. Vielleicht als Gastronom, als Taxifahrer, als«, er schlenkerte mit der Pistole, und Anja schrie auf, »Kinobetreiber. Halt den Rand, Mädchen!«
    »Warum haben Sie nicht gestanden?«, fragte Katinka atemlos. Sie zählte die Sekunden. Wenn dieser Knallkopf von Kriminaler, mit dem sie telefoniert hatte, nur endlich in die Gänge kam. Hoffentlich erreichte die Kassiererin Hardo. Hoffentlich versuchte sie es überhaupt.
    »Es ist wie ein Sog.« Er schüttelte den Kopf. »Du kommst in einen Strudel, in dem du nur noch denkst: Ich will hier raus. Von dem Tag an, an dem der Dicke mir gesagt hat, dass es keine Beweise gibt, war ich wie in Trance.«
    Der Dicke. Kazulé.
    »Sie rechneten damit, freigesprochen zu werden?«
    »Und in der Öffentlichkeit mit weißer Weste dazustehen.« Er sah zu Anja. »Knie dich hin. Na los, knie dich auf den Sessel.«
    Anja gehorchte. Nun war sie kleiner als Kaminsky, und das schien ihm zu gefallen. Er schniefte.
    Irgendwann muss er sich die Nase putzen, dachte Katinka. Immer noch lief der Film auf der Leinwand, aber der Ton war so leise, dass man kaum etwas verstand. Nur rastlose New Yorker Verkehrsgeräusche schepperten verhalten aus den Lautsprechern. Wenn er sich die Nase putzen muss, dann ist meine Stunde gekommen. Gleichzeitig ein neuer Gedanke: Er muss vielleicht niesen. Wenn er niest, dann kann es passieren, dass er den Abzug drückt, und dann …
    Katinka fragte:
    »Und in Ihrem Inneren? Blieben Sie da auch unbeschadet?«
    »Natürlich nicht.« Er lachte erneut.
    Katinka schauderte.
    »Sie könnten sich selbst anzeigen. Nehmen Sie sich einen guten Anwalt, Kaminsky. Lassen Sie Anja los und gehen Sie zur Polizei. Ich begleite Sie, wenn Sie wollen. Ich werde für Sie aussagen. Diese Sache hier«, sie wies mit dem Kinn auf die Pistole, »werden wir nicht erwähnen.«
    Kaminskys Geckern ließ Gänsehaut über Katinkas Rücken gleiten, obwohl es im Saal warm war. Auf der Leinwand sah man ein glitzerndes Hochhaus. Und einen Hubschrauber. Was für ein beknackter Film, dachte Katinka.
    »Ich kenne Lilo«, sagte Kaminsky. »Die alte Kneifzange hat mich längst angeschwärzt. Sie wird nichts auf sich beruhen lassen, und diese Göre hier wird zu ihrer Mutter rennen und ihr alles auftischen, was wir geredet haben.«
    »Dafür gäbe es keinen Zeugen«, sagte Katinka. »Ich würde anders aussagen. So stünde Aussage gegen Aussage.«
    »Ich glaube Ihnen kein Wort.« Kaminski riss erneut an Anjas Haaren. »Und deswegen führe ich das hier zu Ende. Ich bin ohnehin ein Gefangener.« Er schüttelte schniefend den Kopf. »Ich wollte das alles nie, verstehen Sie?«
    »Sie sind in etwas hineingezogen worden, das Ihrem Einfluss entglitten ist, oder?«
    »Ich wollte das nie. Sie haben mich in ihrem Netz verstrickt.«
    »Im Netz der Cavalieri ?«
    Kaminsky zuckte.
    »Nehmen Sie diesen Namen nie in den Mund!«, schrie er. Seine Stimme übertönte ein leises, fernes Geräusch. Katinka unterdrückte den Reflex, den Kopf zu heben und zu lauschen. Kaminsky hatte nichts gehört. Er war damit beschäftigt, sich in seinem Selbstmitleid zu aalen.
    »Die Brüder«, raunte er, »wissen alles.«
    Aus den Augenwinkeln sah Katinka, wie Anja zu zittern begann. Halte durch, flehte Katinka im Stillen, halte um Gottes willen durch, wir haben’s gleich.
    »Hat Hans-Peter Kazulé das Killerkommando in Auftrag gegeben, das Falk liquidierte?«
    »Wie soll ich das wissen? Glauben Sie im Ernst, dass über so etwas auch nur eine Silbe verloren wird?« Kaminsky senkte die Stimme. »Er war es. Wer sonst.«
    »Sie haben doch nichts damit zu tun«, sagte Katinka. »Legen Sie Ihre Waffe weg und stellen Sie sich. Das ist das Klügste, was Sie tun können, und nebenbei können Sie Ihre sogenannten Brüder belasten …«
    »Lachen ist eine Kunst«, sagte Kaminsky und nieste. Katinka hielt den Atem an. Anjas Gesicht war nun totenblass. Ihr Kreislauf machte schlapp. Sie würde gleich umkippen. Katinka sah es an ihren übergroßen Augen, so dunkel, dass sie nur noch aus Pupillen zu bestehen schienen.
    »Lassen Sie Anja sich hinsetzen, Herr Kaminsky«, bat sie. »Sie kippt um. Das hilft Ihnen

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