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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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sagte Hardo. »Du kannst hier nicht ewig sitzen.«
    »Ich hätte …«
    »Nichts hättest du.«
    Nein, Hardo. Du wirst mir sagen, Anja hätte sich selbst in Gefahr gebracht, und damit hast du recht. Am Sonntag, in der Hütte, vor etwas mehr als 48 Stunden, da hat Anja sinngemäß gesagt, sie bräuchten nur noch ein paar Tage, dann hätten sie ihr Ziel erreicht. Sie wollten Kaminsky erpressen. Nicht um Geld. Es ging den beiden Gerechtigkeitskämpfern um die Moral. Zwei Schüler, Greenhorns, noch feucht hinter den Ohren, hatten ein Spiel gespielt, dessen Dynamik ihnen entgleiten musste. Selbst ein raffinierterer Mensch aus dem Milieu hätte sehr klug agieren müssen, um Kaminsky dranzukriegen.
    Hardo strich sanft über Katinkas Nacken. Diese warmen Hände. Ich habe kein Recht auf diese Hände. Ihr hättet den Film nicht abschalten dürfen. Kaminsky hat Angst gekriegt. Er wusste, dass er in der Falle sitzt. Dass da ein Kerl mit einer Meisterleistung der Ballistik im Anschlag lauert und ihn abknallt. Genau so habt ihr das gemacht. Das war blöd, und du weißt es, aber du bist nicht verantwortlich. Ihr habt das Eure getan, um Anja zu schützen. Nur, dass Anja das nicht hilft. Klar, ihr wolltet sie retten, aber das mit dem Filmausschalten war saublöd, ein Versehen, das auf wer weiß wessen Konto geht, und es ist jetzt müßig, darüber nachzudenken, denn Anja ist tot.
    »Ich hatte ihn fast so weit«, sagte Katinka tonlos. Sie schüttelte Hardos Hand ab. Hannes, der verliebte Hannes! Was geschah in der Seele eines 18-Jährigen, dessen Erwachsenenleben mit dem Mord an seiner Freundin begann? Wieder ein Mensch, in den die Saat der Rache gesät wurde. Der Rache und Rechtfertigung für sich in Anspruch nehmen und zur Perfektion treiben würde, zu einer giftigen und perfiden Perfektion. Wie Rita. Und wie Kaminsky.
    Wie kann ich damit leben, fragte ihr Kopf. Wie soll ich verliebt sein, Ferien machen, mit Hardo schlafen, schwimmen gehen, in der Sonne liegen, solange in meinen Ohren Hannes’ Weinen hallt. Sie verurteilen Kaminsky für den Mord an Anja, und ich werde aussagen, ich werde vor Gericht stehen und dem Richter sagen, was ich denke, dass es viele Mörder gibt und nicht nur den schmächtigen Mann mit dem Doktortitel. Aber der Richter wird mich unterbrechen und sagen: Zur Sache bitte.
    »Jemand muss Anjas Mutter und Hannes’ Vater anrufen«, sagte sie. Kälte senkte sich auf sie. Endlich. Eine Hülle aus Kälte, die zu nichts diente, außer zu ihrem Schutz.
    »Das erledige ich«, erwiderte Hardo.
    Sie stand auf. Sie würde das Handy ausschalten und das Telefonkabel aus der Wand reißen.
    »Ich gehe nach Hause«, sagte sie.

     
    Sie lag lange in der Badewanne. Das heiße Wasser konnte die Kälte im Herzen nicht vertreiben, und das war ganz richtig so. Als Hardo gegen zwei Uhr nachts bei ihr klingelte, und es musste Hardo sein, wer sonst würde heute mitten in der Nacht bei ihr auftauchen, machte sie nicht auf.

     

25. Zwölfter August
    Interview mit Rita Bregovi ć am 1.8.2006; Kulmbach, Restaurant Steakhaus ›Caramba‹. Beginn 20:51; Ende 21:38.
    Britta Beerenstrauch: Sprechen wir über die Folgen des Missbrauchs. Eugen Kaminsky hat sich an Ihnen vergangen, als Sie 14 Jahre alt waren. Wie gehen Sie heute damit um?
    Gar nicht. Die Polizei redete mir allerlei Rachegelüste ein. Ja, ich hätte nichts dagegen, Kaminsky zu zermalmen.
    Man muss einen Menschen nicht umbringen, um ihn zu vernichten!
    Das ist richtig. Unsinnigerweise arbeitet in dieser Gesellschaft die Zeit für den Täter. Das Opfer hat nach einigen Jahren über die Folgen des Verbrechens hinweg zu sein. Heutzutage muss jeder Kummer wegtherapiert werden.
    Sie hatten ein Verhältnis mit Jens Falk.
    Kein Kommentar.
    Sie hatten ein Verhältnis mit dem Lehrer, der ermordet wurde.
    (Schweigt.)
    Haben Sie Jens Falk angestiftet, Kaminsky zu demontieren?
    Das ist vollkommen absurd.
    Wussten Sie, wo Jens Falk wohnte?
    Kein Kommentar.
    Waren Sie am 17. Juli in Bamberg?
    Nein.
    Wo waren Sie?
    Zu Hause. Ich musste meine Abrechnungen machen.
    Kannten Sie Doris Wanjeck?
    Nein.
    Sie fahren Motorrad?
    Ja. Ich fahre eine Honda CBF 600.
    Ist das die Maschine, die auf den Videobändern der Tiefgarage zu sehen ist?
    Wenn ich nicht dort war, war auch mein Motorrad nicht dort.
    Haben Sie sich für Ihren Ausflug nach Bamberg ein Motorrad ausgeliehen?
    Was für ein Schwachsinn.
    Haben Sie Doris Wanjeck umgebracht?
    Nein!
    Empfinden Sie Bedauern, wenn Sie an Jens Falk denken?
    Ich

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