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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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erläuterte Valente und fuhr mit dem Finger über die Buchstaben. »ROXYMUSIC ist das Schlüsselwort.« Er griff nach einem Stift, aber Katinka sagte:
    »Lass mich das entschlüsseln.«
    Wieder dieses Fieber. Die Gier nach der Auflösung. Sie war erneut überrumpelt von der Intensität dieses Gefühls, das sich verstärkte, je mehr Klartextbuchstaben sie auf dem Zettel stehen hatte.

     
    SCHLÜSSEL    R O X Y M U S I C R O X Y M U
    Klar         e s i s t r i t a s r a c h e
    Geheim       V G F Q F L A B C J F X A T Y

     
    »Es ist Ritas Rache«, murmelte sie. »Verdammt, Valente, weißt du, was du da rausgekriegt hast?«
    »Es ist die Lösung, oder?«
    Katinka nickte.
    »Ich muss telefonieren. Ich …« Sie stand auf und stellte sich an das geöffnete Fenster. Dort unten lief jemand spazieren, die Hände auf dem Rücken gekreuzt, und blickte zu ihr hoch. Keiner von den Kerlen aus dem Boxklub, beruhigte sie sich sofort. Und ein grüner Opel ist auch nirgends zu sehen. Ritas Rache. Verdammt, endlich haben wir etwas. Aber was ist es, was wir da haben? Ist es irgendetwas, das über eine freundliche, wenn auch in sich schlüssige Fantasterei hinausweist? Und warum hat Falk Ljubov nicht gesagt, was Sache ist? Warum diese Geheimnistuerei?
    »Könnte ich jetzt etwas von dem Obstsalat …?«, fragte Valente schüchtern und sah wieder so aus, wie sie ihn kannte. Wie ein ständig bedrückter Schüler, der sehnlichst auf seinen 18. Geburtstag wartete.
    »Klar, bedien dich.«
    Sie schnappte sich ihr Handy und rief Hardo an. Er hörte zu, was Katinka ihm in aller Hast erklärte, während sie auf ihrem Bett saß, in dem sie schon lange nicht mehr geschlafen hatte. Seit einer Woche, wenn sie sich recht entsann.

     
    Unter Brüdern geht man ans Telefon.
    Auch wenn es gerade nicht passt. Er ist dankbar, das schon. Immerhin haben die Brüder dafür gesorgt, dass dieser Lehrerkriecher ihn nicht mehr fertigmachen kann.
    Seine Hände zittern. Er schnappt nach Luft und reißt das Fenster auf. Wenn nur die verdammte Hitze nachließe! Mit seinen Herzproblemen hält er das fast nicht aus. Hätte er doch die Mailbox drangehen lassen.
    Er sprüht die Tastatur mit Sagrotan ein. Seine Hände betätigen den grünen Knopf am Rechner. Nur ein Spiel. Nur eins!
    Er war davon los. Eine Therapie bei einer angesehenen, im Übrigen reizvollen Psychotherapeutin. Er hat Medikamente geschluckt und zugenommen. Er hat einmal zum Frisium Alkohol getrunken und ist beinahe krepiert.
    Nur ein Spiel. Seine Finger fliegen über die Tasten.
    Mein Gott, was die Brüder nur in ihm sehen. Als könne er irgendwas bewirken. Als könne er ihnen Vorteile verschaffen, sozusagen die Poleposition, ausgerechnet er, der Schwächling, der Hänfling, der Angsthase! Schon in der Schule war das so gewesen, er war der kleinste und dünnste und spillerigste Junge in der Klasse. Und wenn er es genau bedenkt: Schon als ganz kleiner Junge war er ein Schluck Wasser in der Kurve. Ein Trauma, hat die Psychotherapeutin gesagt. Ein Mutterproblem. Seine dominante Mutter hat seine Schwierigkeiten verschuldet. Er glaubt es fast nicht. Aber die Brüder, die Gemeinschaft, das war wie damals sein Kumpel Nobbi, der den Größeren eine Lektion verpasst hat, wenn sie den Kleinsten rannehmen wollten. Nie im Leben würde er der reizenden Therapeutin von den Brüdern erzählen. Sie weiß von dem Prozess. Er sagt, er sei unschuldig. Er sagt, er habe nie einem Mädchen etwas angetan. Es gibt Tage, da glaubt er es selbst.
    Endlich ist er eingeloggt. Sein Puls beschleunigt.
    Wenn er spielt, vergisst er alles andere. Die verlogene Tätigkeit, die mindestens zwölf Stunden eines jeden Tages verschlingt. Er vergisst die Brüder, die Ehrungen, die Lobhudeleien. Er wird leicht ausgenutzt, behauptet die Therapeutin. Aber wer sich ausnutzen lässt, der sei ein Stück weit selbst schuld. Er schnaubt und zündet sich eine Zigarette an. Aufpassen muss er, er hat ein paar hässliche braune Flecken in die alte Tastatur gebrannt. Natürlich hat er die sofort ausgewechselt und auch einen Schutzüberzug gekauft. Selbstverständlich nutzt er nur seinen privaten Rechner, wenn er …
    Er gibt die Kreditkartennummer ein. Seit Wochen hat er nicht mehr gespielt, und er ärgert sich, dass er auf der Plattform nun wie ein Fremder behandelt wird, weil er so lange nicht dabei war. Eine anonyme Gemeinschaft, das ist es, und er hält sich an ihr fest, denn sie stellt keine Forderungen, außer dass sie die

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