Spinnefeind
Chiffre noch einmal ab. Fuhr mit dem Finger über das Papier. Das Schlüsselwort. Sie probierte es mit Hannes , aber es kam Unsinn dabei heraus. Ohnehin Blödsinn, dachte sie. Hannes wird niemals einen Text durch seinen Namen verschlüsseln. Sie rieb sich die Schläfen. In der Wohnung in Fürstenfeldbruck war der erste Hinweis zu finden gewesen. Eine Flasche mit Badezusatz, in deren Kappe die entscheidenden Hinweise standen. Katinka rief sich so viele Details wie möglich aus dem Apartment ins Gedächtnis. Vielleicht hatte er die Bezeichnung für irgendeinen Gegenstand als Schlüsselwort gewählt. Katinka probierte Badewasser als Schlüssel, aber natürlich funktionierte das nicht. Dachte sie zu simpel oder zu kompliziert? Was hätte sie selbst getan, um einem anderen einen heimlichen Hinweis zu geben? Fand sich das Schlüsselwort vielleicht doch nicht in der Wohnung, sondern irgendwo anders? Bei seinem Vater?
Draußen rauschte der Regen. Wenn sie es nur schaffen würde, ihr Gehirn arbeiten zu lassen, ohne es in eine Richtung zu zwingen! Sie stand auf und stellte sich ans Fenster. Wasser stürzte vom Himmel und bildete Seen auf dem Asphalt. Die Beleuchtung der roten Kirche war abgeschaltet. Bamberg schlief, abgesehen vom zeitweiligen Heulen der Feuerwehrwagen, die von Einsatz zu Einsatz rasten. Katinka leerte ihren Rucksack aus. Räumte alles wieder ordentlich ein. Ordnung gab Sicherheit. Menschen, die zwanghaft Ordnung hielten, waren ängstliche Typen. Was geht mir da nur durch den Kopf, grübelte sie und lachte leise. Lauter philosophischer Quatsch, dabei ist nichts Bedeutendes im Rucksack, nur der übliche Kram. Zum Glück hat der Angreifer aus Hannes’ Haus mir nicht den ganzen Rucksack geklaut, sondern nur die DVDs, dabei waren die Scheiben nicht einmal drin …
Hinter Katinkas Stirn begann es bedrohlich zu pochen. Die DVDs! Die Filmtitel. Vielleicht wollte Hannes unsere Aufmerksamkeit auf die Filmtitel lenken, weil er sie als Schlüsselwörter benutzt hat! Sie riss ein leeres Blatt aus ihrem Block und schrieb:
Schlüssel F O R R E S T G U M P
Klar
Geheim L L T E Z R U N V R K
Nach drei Buchstaben gab sie enttäuscht auf. gxc – das konnte kein Wort werden. Wütend hieb sie mit der Faust auf die Tischplatte. Welches war der zweite Film gewesen? Sie war nahe daran, Fürlitzer anzurufen, obwohl es halb drei in der Nacht war. Sie suchte die Telefonnummer heraus, als es ihr einfiel. ›Elsa und Fred‹. Sie notierte ELSAUNDFRED als mögliches Schlüsselwort und legte los. Sie kam einmal durch den Schlüssel. Schrieb voller Eifer den Klartext mit. War so begeistert, dass sie erst nach einigen weiteren Buchstaben Unsinn stoppte und auf ihr Blatt starrte.
Schlüssel E L S A U N D F R E D E L S A U N D F R
Klar h a b e f e r i e n h b x r z w g q z h
Geheim L L T E Z R U N V R K F I J Z Q T T E Y
»Mist, verdammter!«, rief sie. Es klappte doch. habeferienh – das war immerhin ein Anfang! Aber warum ging es nicht weiter? Katinka wisc hte sich über die Augen. Himmel, hilf mir. Das ist doch nicht wahr!
Mit zitternden Fingern strich sie das Schlüsselwort aus und hängte beide Filmtitel hintereinander. Angewidert besah sie sich ihre krakelige Schrift, holte tief Luft und dechiffrierte. »Gehe zur Zeile, die mit F beginnt«, murmelte sie, »und suche das F – klar, das wird ein a.« Sie notierte den Buchstaben. »Gehe zur Zeile, die mit O beginnt und suche das I: o. k., ein u.« Sie streckte den Rücken. »Gehe zur Zeile, die mit R beginnt, und suche das J: s.« habeferienhaus stand nun auf ihrem Zettel.
»Scheiße, ja!«, rief Katinka verhalten. »Es klappt.« Dieser clevere Hann es! Er hatte die Filmtitel aneinandergereiht und so ein Schlüsselwort fabriziert:
ELSAUNDFREDFORRESTGUMPELSAUNDFR.
Konzentriert fuhr Katinka über die Abteilunge n ihres von Hand abgeschriebenen Vigenère-Quadrates. Schrieb Buchstabe für Buchstabe auf. Verblüfft und stolz zugleich blickte sie drei Minuten später auf den Klartext: habeferienhausimbayerischenwald .
»Er hat ein Ferienhaus im Bayerischen Wald«, murmelte Katinka. »Das bedeutet, wir wissen jetzt, wo Hannes steckt. Und wohin Anja sich aufgemacht hat.« Ihre Hochstimmung hielt allerdings nur wenige Sekunden an. Der Bayerische Wald war groß genug, um für Monate unterzutauchen. Wenn nicht für länger.
Sie musste Hardo wecken. Sie brauchten eine neue Idee. Gab es noch einen Hinweis auf einen Ort, an dem
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