Spinnefeind
grinste spöttisch. Sie streckte ihm die Zunge heraus. In der Leitung war es lange still. Katinka war fest entschlossen, zuerst Valente aus der Reserve kommen zu lassen.
»Sie nehmen mich mit«, sagte Valente entschlossen. Katinka hörte seine hektischen Atemzüge. »Sonst halte ich die Klappe und verbrenne die Postkarten im Kamin.«
Hardo nahm Katinka das Telefon aus der Hand.
»Hier spricht Hauptkommissar Harduin Uttenreuther, Kripo Bamberg«, sagte er. Seine Stimme klang messerscharf. »Sie werden die Postkarten in 20 Minuten abliefern. Bis dahin wird entschieden, ob wir Ihnen die Chance geben, sich unsere Arbeit anzusehen. Andernfalls kriegen Sie eine Anzeige wegen Unterdrückung von Beweismitteln.«
Fasziniert lauschte Katinka Valentes Keuchen aus dem Lautsprecher. ›Wo wohnt er?‹, schrieb Hardo auf das Blatt. ›Stegaurach‹, kritzelte Katinka daneben.
»Wir sind in 20 Minuten an der katholischen Kirche in Stegaurach«, sagte Hardo. »Bis dann!« Er legte auf.
»Die Staatsmacht droht mit mächtigem Finger«, sagte Katinka und grinste schief. Wieder einmal saß der Hauptkommissar am längeren Hebel.
»Wie du weißt, ist Unterdrückung von Beweismitteln ein Amtsdelikt. Trifft nur uns Staatsdiener. Aber es hat gewirkt. Ich mache uns einen schnellen Kaffee. Pack deine Sachen zusammen.«
Katinka sah ihm zu, wie er Wasser aufsetzte und dann hinausstürmte, um sich anzuziehen. Er brauchte keine zwei Minuten für seinen üblichen Aufzug aus Jeans, kariertem Hemd und Turnschuhen. Um die Schulter trug er das Holster mit seiner Heckler & Koch. Katinka räumte ihre Unterlagen in den Rucksack. Plötzlich war sie unendlich müde, und nur die Aufregung hielt sie aufrecht. Rasch trank sie ein paar Schlucke Kaffee, bevor sie ihre Waffe umschnallte und hinter Hardo die Wohnung verließ.
»Punkt eins«, begann Hardo, während er den Motor anließ und ausparkte. »Ich habe den Verdacht, dass diesen Hannes Niedorf nicht nur die Angst dazu antreibt, seine Nachrichten zu verschlüsseln. Ich spüre da unterschwellig einen gewissen Spieltrieb. Punkt zwei: Ich habe ein ungutes Gefühl, wenn ein Schüler verschwindet, und sei es freiwillig. Jetzt ist noch seine Freundin zu ihm geflüchtet. Und die beiden haben Angst, sich telefonisch zu melden. Das muss bedeuten, dass sie entweder Gespenster sehen oder tatsächlich sicher sind, dass man sie beobachtet und jeden ihrer Schritte verfolgt.«
»Was bedeutet der Hinweis auf die Drogen?«
»Ausgezeichnete Frage«, sagte Hardo. »Wir haben in Falks Wohnung Kokain gefunden. Falk war aber nicht süchtig. Bei der Obduktion wurde festgestellt, dass er weder rauchte noch nennenswert Alkohol trank. Geschweige denn etwas Härteres einwarf. Er hat auch nicht gedealt. Ich glaube das nicht. Er war nicht der Typ, der ein Vierteljahrhundert als braver Bürger existiert und plötzlich zum Dealer wird.«
»Also muss ihm jemand die Drogen untergeschoben haben, um euch auf eine falsche Fährte zu führen.«
Hardo lenkte den Wagen durch die schlafende Stadt. Der Regen hatte nachgelassen. Am Schönleinsplatz blockierten Äste die Fahrbahn. Hardo umfuhr sie vorsichtig. Sie schlängelten sich durch die Altstadt, ratterten am Dom vorbei über das Kopfsteinpflaster. Die Mauern der Hofhaltung und der Residenz säumten schweigend ihren Weg, und wie immer überkam Katinka bei ihrem Anblick ein flaues Gefühl. Auch dort hatte sich einst zu viel Macht zusammengebraut.
»Wo steckt Ljubov?«, fragte sie halblaut. »Warum hat sie mich in den Boxklub geschleppt? Wer ist der Kapuzenmann von gestern Nachmittag?«
Hardo warf ihr einen Blick zu, sagte aber kein Wort. Katinka wusste weshalb. Er hatte genauso wenig Ahnung wie sie, und in seinem Kopf wirbelten dieselben Fragen. Als sie die Engstelle am Torschuster hinter sich hatten, beschleunigte Hardo. Sie fuhren den Berg hinauf. Die Villen in ihren verträumten Gärten lagen dunkel da. Auch die Altenburg konnten sie kaum erahnen. Die Be leuchtung war längst ausgeschaltet. Hardo fuhr durch Wildensorg und nahm eine Abkürzung durch die Felder. In Stegaurach lenkte er seinen Golf zielsicher zur Kirche. Er schaltete die Scheinwerfer aus.
»Siehst du ihn?«, raunte er.
»Nein.« Ihre Antwort war ein Flüstern. Müdigkeit und knisternde Aufregung stellten keine gute Mischung dar. Hardo tastete nach ihrer Hand und drückte sie kurz.
»Wenn der Junge eine genauere Ortsangabe hat als wir, dann machen wir uns auf den Weg. Und zwar sofort.«
»Klar.« Katinka nickte
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