Spinnen füttern
Übliche.
Dann stiegen zwei Männer ein, offensichtlich ein Paar. Sie stritten leise. Es ist schwer, da wegzuhören, diese Streitereien drängen sich auf, sie kriechen einem ins Ohr. Ein Streit zwischen Liebenden besteht aus winzigen Ultraschallwellen, sie dringen durch Ohrenstöpsel und in Träume, selbst, so könnte man behaupten, in das schwache, niemals ganz verstummende Surren widerzitternder Erektionen.
In diesem Fall ging es um Geld. Der Jüngere, offenbar ein Opernsänger, schien von dem Älteren, einem Glatzkopf, abhängig zu sein.
Warum beleidigst du mich in letzter Zeit ständig?, sagte der junge Mann.
Du bist in letzter Zeit nur zu empfindlich.
Nein, ich bin empfindsam! Ich habe kein Geld, ich stecke beruflich in einer Sackgasse. Opernsänger – das machen heute ohnehin nur noch so romantische Querköpfe wie ich. Ich habe also ein Recht darauf, empfindsam zu sein, dazu stehe ich.
Du bist einfach immerzu schlecht gelaunt. Natürlich hast du ein Recht darauf, in deiner Kunst empfindsam zu sein, aber ich bin doch dein Liebhaber.
Du hältst mich doch nur aus.
Du kannst jederzeit gehen, auch wenn es mich sehr traurig machen würde.
Das glaube ich nicht. Du würdest dir einfach einen anderen jungen Mann halten.
Ich halte dich nicht, in keiner Hinsicht.
Wenn ich dich verlasse, lande ich auf der Straße. Das weißt du. Und du weißt, dass ich in dieser Stadt niemanden habe, an den ich mich wenden könnte. Also hältst du mich aus und damit fest.
Du hältst dich selbst fest.
Wie du meinst. Wenn ich eine Wahl habe, dann muss ich sie wohl auch nutzen. Fahrer, halten Sie bitte an, sagte der junge Mann.
Fahrer, halten Sie nicht an, fahren Sie weiter, sagte der Ältere.
Anhalten, bitte, sagte der Jüngere.
Fahren Sie weiter, sagte der Ältere.
Bitte, anhalten!, rief der Jüngere.
Ich bin es, der diese Fahrt bezahlt, sagte der Ältere bestimmt, also fahren Sie jetzt weiter.
Wenn mich ein Passagier auffordert zu halten, bin ich verpflichtet, das zu tun, erklärte ich. Ich hatte keine Ahnung, ob das stimmte, aber ich habe immer meine eigenen Gesetze erfunden, wenn es darum ging, den Menschen, die sich befreien, die ihre Ketten abwerfen wollten, Mut zuzusprechen. An der nächsten Straßenecke hielt ich an.
Geh nicht, sagte der Ältere und fasste die Hand seines Freundes.
Der junge Mann begann zu weinen. Du weißt doch, dass ich alles für dich aufgegeben habe, sagte er, ich bin zu dir gekommen, ich bin bei dir eingezogen, weil du mir keine Wahl gelassen hast. Und du hast versprochen, mich zu unterstützen, bis ich auf eigenen Füßen stehe. Du weißt, wie wichtig mir das alles ist, der Gesang, die Bühne, aber ich habe den Eindruck, dass du die Geduld verloren hast. Du willst, dass ich dich verlasse.
Ich möchte nur eines: Du sollst fliegen, mein Geliebter.
Nenn mich nicht so. Nicht jetzt.
Mein Geliebter.
Du bist schuld an meinen Tränen.
Mein Geliebter, mein Geliebter, mein Geliebter.
Siehst du, wie mir die Tränen übers Gesicht laufen? Ich hasse Tränen. Aber du magst Tränen, du, der du niemals welche vergießt.
Der Ältere tastete nach seinem Taschentuch. Ich wandte mich um und hielt ihnen meine Schachtel Kleenex hin.
Danke, sagte der Jüngere, und plötzlich begannen beide zu kichern, schließlich lachten sie laut und schlossen sich auf meiner Rückbank fest in die Arme.
Der Ältere bezahlte. Dann gab er mir ein großes Trinkgeld.
Für die Umstände, die wir gemacht haben, sagte er. Ich sah ihnen lange nach. Im Schein des Vollmonds schlenderten sie über die nassen Straßen davon.
Das Ziel
Mit diesem Trinkgeld hatte ich in der Nacht bereits fünfzig Dollar Gewinn gemacht. Ich hatte mir ein Ziel gesetzt: Wenn ich bei hundert bin, höre ich auf. Ich gehe nach Hause, begrüße die Spinne an der Wand, rufe Mary an, lese ein Buch und hole mir einen runter.
Ich besitze ein ganzes Arsenal von Büchern, darunter einen Stapel, der nahe dem Teppich beginnt und aus den unteren Regionen der Regale aufsteigt, um meine sündhaften Gelüste zu befeuern und meine Faust in Bewegung zu setzen. In diesem Regal befinden sich verschiedenste, teils sehr literarische Werke, die einst der Bärtigen Dame gehört haben. Darunter sind Titel wie L’immoraliste, L’histoire de l’œil und La chatte , die mir in Zeiten der Not und des Bedürfnisses allesamt gute Dienste geleistet haben. Es sind auch Bücher darunter, die einem Professor gehört haben, der mir seine riesige Bibliothek vermacht hat. So habe
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