Spinnen füttern
philosophisch.
Ich finde, der Sieger hat ein Recht darauf, den Verlierer in seinem Schmerz zu sehen.
Bereitet es Ihnen Vergnügen, andere Menschen leiden zu sehen?
Kann sein, sagte ich.
Was halten Sie von Menschen, die es unterhaltsam, vielleicht sogar anregend finden, wenn einem anderen Schmerz zugefügt wird? Verstehen Sie, was ich sagen will?
Sie meinen Ketten, Stiefelküssen, Fesselspiele und so?
Genau. Sie sind ein sehr aufmerksamer Fahrer.
Tatsache ist, dass der Schmerz in vielen verschiedenen Kulturen legitim zur Schau gestellt wird, sagte ich.
Und freiwillige Unterwerfung?, fragte er. Würden Sie das als legitim bezeichnen?
Ich denke schon. Wenn man es recht bedenkt, das ist ja der Punkt, wo sich die sogenannte Bewegung der sexuellen Befreiung mit den Selbstgeißelungen der Religiösen berührt. Die ersten Christen haben sich frohgemut den lächelnden Löwen entgegengestellt, einige haben sich schon damals selbst gezüchtigt. Auch manche islamische Sekten tun dies bis auf den heutigen Tag. Ich kann Ihnen nicht mit Sicherheit sagen, welchen Nutzen ein Mann daraus zieht, sich willentlich dem Schmerz zu ergeben, mein Herr, es ist aber davon auszugehen, dass gewisse Anschauungsweisen und Gelüste eine Rolle dabei spielen.
Wollen Sie sagen, Fahrer, dass diese Anschauungsweisen unseren Respekt verdienen? Oder anders gefragt: Wären Sie selbst in die Arena gegangen, wenn Sie im alten Rom geboren wären?
Ich glaube schon, mein Herr. Ich hätte diese Veranstaltungen für völlig legitim gehalten. Wir sind schließlich alle Produkte und Opfer der Umstände, in denen wir aufgewachsen sind. So lange zumindest, bis wir beginnen, darüber nachzudenken, bis wir uns abwenden und zur Wehr setzen.
Würden Sie eine Veranstaltung dieser Art in der heutigen Zeit besuchen?
Ich hielt und sah den Mann an. Wenn ich dabei das Taxameter laufen lassen darf, bin ich dabei, sagte ich lachend. Und wer weiß, vielleicht werde ich am Ende mit einem großzügigen Trinkgeld belohnt.
Warum nicht? Warum eigentlich nicht? Junger Mann, Sie sind noch scharfsinniger, als ich gedacht habe. Wer sucht, der findet.
Wir fuhren zum Hafen. Unten am Kai war ein Gebäude, das wie ein hölzernes Schloss aussah, vielleicht auch eine Mühle oder ein Ungeheuer. Es war schon spät an diesem Morgen, ich war hundemüde, und wenn ich müde werde, sehe ich die unglaublichsten Dinge.
Ich ließ das Taxameter laufen, stellte den Motor ab und folgte dem Mann.
Neben der Tür befand sich ein kleines Fenster. Der Mann flüsterte etwas, wohl ein Passwort, worauf ein in Leder gekleideter Gigant die Tür öffnete und uns einließ.
Drinnen war es dunkel, doch am Eingang sah ich einen großen Käfig, in dem einige halb nackte, wie Hunde angeleinte Männer saßen, die sich entsprechend verhielten. Einer kroch auf allen vieren, winselte ununterbrochen und beschnüffelte die anderen. Einer saß in der Ecke und jaulte, ein weiterer bellte und zeigte die Zähne. Sie trugen Leinen und lederne Brustgurte.
Gladiatoren!, sagte ich.
Eher nicht, erwiderte der Mann. Es sind Sklaven, mein Freund, die hier von ihren Herren abgegeben werden. Sie sind vollkommen willfährig. Sie haben nur zu gehorchen, gelegentlich werden sie von ihren Besitzern auch getauscht. Doch gehen wir weiter, zu den Darkrooms, ich raten Ihnen dringend, sich auf das Zuhören zu beschränken. Sprechen Sie nicht!
Es war so düster, dass ich nur Formen erkennen konnte, die Umrisse von Händen und ineinander verschlungenen Körperteilen. Wäre das gelegentliche, sanfte Luststöhnen nicht gewesen, die hörbare Reibung der Haut, hätte man meinen können, es handelte sich um eine Menge ein wenig träger Meerjungfrauen, die durch einen Dunst von Schweiß und Sperma trieben und in glücklicher Zweisamkeit einander umschweiften.
Wir verließen den Darkroom und kamen in einen schummrigen Bereich mit Kabinen, in denen verschiedene Transvestiten und Dominas ihre Spielchen trieben. Wir sahen zu, wie ein in Ketten liegender Mann mittleren Alters, dessen Rücken stark behaart war, von einer maskierten, barbusigen Dame getreten wurde. Ein weiterer, auf dem Boden kniender Mann verharrte in Schmerz und gleichzeitiger Ekstase, sein Atem ging schwer unter der Ledermaske. Als ein Mann in einem Tanga nach meinen Fußgelenken griff, trat ich ihn und floh. Schwuchtel, Schwuchtel, rief er mir nach, komm her, du Schwuchtel, ich weiß, dass du es willst. Ich zeigte ihm den Finger und pumpte mich auf wie eine Ameise vor der
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