Spinnen füttern
nicht, mich anzufassen, bevor ich mich nicht geduscht und frisch angezogen habe. Man sollte doch meinen, dass die Leute im Westen gelernt hätten, sich sauber zu halten, schließlich hatten sie die Pest und Jahrhunderte der Dekadenz. Aber ich finde, sie sind immer noch dreckig.
Es dauerte Stunden, bis mein Kunde wieder auftauchte. Kommen Sie, sagte er, wir gehen. Ich war noch nie ein großer Hundefreund.
Am Empfang ließ er sich seinen Mantel herausgeben, und dann unterhielt er sich mit einem jungen Mann, der eine bunte Perlenkette um die Hüfte trug und ein winziges transparentes Stückchen Stoff um die Genitalien. Während ich wartete, bemerkte ich auf einem Tischchen ein Gästebuch. Die aufgeschlagene Seite war beinahe vollgeschrieben, ein Stift in der Form eines Federkiels lag bereit.
Ich nahm den, sagen wir … federleichten Stift und begann, einen langen Brief zu schreiben, in dem ich dem Etablissement für die bewegenden Eindrücke dankte, die ich gesammelt hatte, für die Möglichkeit, die Vorgänge in diesem gemeinschaftlichen Tunnel der Sinnlichkeit in Augenschein nehmen zu dürfen, und ich bestätigte die Notwendigkeit des Symbolischen und, wenn man so wolle, Erfahrbaren, wie auch die Nachvollziehbarkeit niederer Formen der Existenz, die Degeneration des Fassbaren, das Jaulen der Hunde, die Ketten und Fallen, den Wunsch nach einer Personifizierung des Schicksals der Menschen in unserer verkommenen Welt … und als ich gerade ansetzte, einige Verse zu verfassen, die das Finstere der Umschlingung im Vergleich mit der Lichtlosigkeit an sich zum Thema hatten, tippte mir mein Kunde auf die Schulter und meinte: Lieber Freund, es ehrt mich, dass Ihnen diese Verliese der Liebe solche Inspiration verschafft haben, aber ich glaube, Ihr Taxameter läuft noch. Außerdem muss ich jetzt wirklich nach Hause, um mich von der Beengung zu befreien, die meine Brust einschnürt – im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich brachte den »Briten« in die Stadt zurück. Als er sich unterwegs eine Zigarette ansteckte, sagte ich nichts. Die Anzeige stand bei über zweihundert Dollar, ich wusste, dass das Trinkgeld phänomenal sein würde, das heißt spektakulär, sagenhaft, grrrrandios (dazu ein Fingerschnippen) und phantastisch. Ich setzte ihn in der Innenstadt ab. Er bat mich um meine Telefonnummer.
Ich werde Sie anrufen, sagte er. Sie sind ein kluger Kopf, ein fleißiger und aufmerksamer Mann. Sie haben ein Talent dafür, die Dinge zu durchschauen. Es ist ein Talent, das sich zu Geld machen ließe! Ich rufe Sie an, wiederholte er, bezahlte seine Fahrt und gab mir noch einmal so viel als Trinkgeld.
Ciao, sagte er, ging vorn um das Auto herum und trat in ein schickes Gebäude. Ein mit Zylinder und grüner Uniform ausgestatteter Diener eilte ihm entgegen, um ihm die Tür aufzuhalten.
Teppich
Ich fuhr nach Hause. Das Geld reichte für einen zweitägigen, wohlverdienten Ruhestand. Den Geldsegen feierte ich, indem ich durch das Treppenhaus nach oben jagte und mich auf meinen Teppich legte. Nachdem ich einige Armeen der Barbaren besiegt hatte, erklärte ich meinem Volk: Veni, vidi, vici . In Rom bereitete man mir nach diesem Siegeszug einen prachtvollen Empfang. Die Rösser, die Sklaven, die Beute – mit geschwellter Brust stand ich da und hörte zu, wie meine stolzen Soldaten meinen Namen riefen. Unter den Gefangenen befand sich die Tochter des Königs der Westgoten. Sie ging nicht in Ketten, dafür hatte ich gesorgt, damit ihre runden Fesseln nicht von blauen Flecken oder Blutspuren verunstaltet würden. Ihre Hände sollten nicht müde sein vom Gewicht des Eisens.
Nachdem ich mich ein wenig ausgeruht und die öffentlichen Bäder besucht hatte, kehrte ich in meine Gemächer zurück und ließ sie hereinführen. Voller Trotz trat sie ins Zimmer, sie war frisch gebadet und trug einen langen Purpurumhang. Ihr goldenes Haar fiel lang und schimmernd über ihre Schultern. Mir kamen Tränen, so schön war sie. Um sie zu versuchen, hatte ich einen Dolch auf die Stufen legen lassen, den sie sogleich entdeckte. Unbeugsam stand sie da, den Marmor und die prächtigen Verzierungen aus Gold, die uns umgaben, schien sie nicht wahrzunehmen. Ich schickte die Wächter und Sklaven hinaus, stand auf und betrachtete sie von allen Seiten. Sie war furchtlos wie das Volk, dem sie entstammte. Wie viele dieser germanischen Stämme hatte ich niedergemetzelt, wie viele hatte ich zu Sklaven gemacht – doch eine solche Schönheit war mir noch nicht unter
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