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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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ganz ruhig ihre Hand auf deinen Oberschenkel, ganz nah am Schritt, während sie deine Papiere überprüft und nachsieht, ob der Wagen sauber ist. Dann geht sie wieder.
    Wer ihre Hand wegschiebt, kriegt einen fetten Strafzettel aufgebrummt. Wer dasselbe bei ihr versucht, muss mit einer Anzeige wegen sexueller Belästigung rechnen. Wenn du ihr in die Augen siehst, sagt sie, du sollst auf die Straße gucken, selbst auf dem Parkplatz, wenn sich der Wagen überhaupt nicht bewegt. Ich vermute, dass dies alles Teil einer wissenschaftlichen Studie ist; sie versucht herauszukriegen, wie sich die Größe des Gefährts zur Ausstattung des Mannes verhält. Deshalb legt sie ihre Hand irgendwo zwischen Schritt und Knie und wartet, dass das Organ anschwillt und länger wird, dann wirft sie einen Blick darauf und notiert deinen Namen, die Lizenznummer und die Länge deiner Schicht.
    Einmal ist die Inspekteurin auch in den Wagen von 66 gestiegen, er hatte gerade seinen Kaffee ausgetrunken und wollte losfahren. Zwei Minuten später sprang sie wieder heraus, schlug die Tür hinter sich zu und kam ins Bolero. Sie war totenbleich. Sie trank ein Glas Wasser und verschwand. Sobald sie in das Auto gestiegen war, so erzählen die Leute, hatte Nummer 66 die Namen ihrer drei Nichten und Neffen aufgesagt und den Ort genannt, an dem ihr Vater begraben war. Er beschrieb das Dorf ihrer Kindheit und den Mantel, den sie als Kind getragen hatte, als sie Nachbars Katze zu Tode quälte.
    Als sich die Inspekteurin neben mich setzte, erzählte Nummer 15, verhielt ich mich ganz ruhig. Als sie fertig war, steckte ich mir eine Zigarette an und hielt ihr ein Kleenex hin. Sie wurde wütend. Ich musste aussteigen, während sie meinen Wagen untersuchte. Sie legte alle Sitze um, tauchte ab und suchte darunter mit ihrer Taschenlampe. Als ich sie fragte, behauptete sie, sie suche nach Drogen. Ich musste sogar den Kofferraum öffnen, in dem ein Karton mit Lebensmitteln stand, die ich meiner Frau mitbringen sollte. Dafür gab es einen Strafzettel. Der Kofferraum hat leer zu sein, sagte sie, damit genug Platz sei für das Gepäck der Flughafenkunden, gegebenenfalls für die Einkäufe der Fahrgäste, für ihre Kadaver und ihre beschissenen Was-weiß-Ichs. Sie war stocksauer und warnte mich, dass sie den Kofferraum beim nächsten Mal wieder überprüfen werde, und wehe, der sei dann nicht leer. Tatsächlich hielt sie mich gleich am nächsten Tag wieder an, ich bog gerade in die Horn Street ab. Sie öffnete den Kofferraum, in dem zwei Großpackungen Kleenex lagen.
    Sie hat vor Wut geschäumt, erzählte Nummer 15 unter großem Gelächter, sie wollte mir schon wieder einen Strafzettel geben! Da habe ich gesagt, ich war gerade auf dem Weg, um eine große Ladung abzugeben, das können Sie mir glauben. Ich kann’s beweisen, kommen Sie nur mit zu mir nach Hause. Dabei hab ich mir die ganze Zeit die Schenkel gerieben, immer rauf und runter.
    Du Hund, rief 101 und lachte, und die anderen lachten mit.
    Türken
    Am Morgen. Ich wartete auf Zainab, sie kam nicht. Ich ging hinauf in meine Wohnung und legte mich aufs Bett, konnte aber nicht einschlafen. Ich war geil wie ein Türke.
    Weshalb ich mich auf den fliegenden Teppich meines Vaters legte und mich in einen türkischen Soldaten hineinversetzte, es war in den letzten Tagen vor der Schlacht von Gallipoli. In Istanbul setzte ich mich in ein Café, rauchte und wartete, ich wusste, dass bestimmte Leute kommen würden. Beim Geklacker der Backgammonwürfel und Lärm der Spielsteine, die auf Holztische geschlagen wurden fragte ich mich, ob ich dieses Spiel jemals wieder spielen würde. Von meinem Platz aus konnte ich die Minarette der Blauen Moschee sehen. Meine fromme Mutter hatte mich zum Gebet gedrängt, ich aber lief in diesen Stunden, die vielleicht meine letzten wären, lieber durch die Stadt und ihre Gassen.
    Ich wusste nichts über Australier. Ich kannte keine und wusste auch nicht, wie ihre Frauen waren, doch bald schon sollte ich den Australiern, die von weit her gekommen waren, um unser Land zu erobern, auf dem Schlachtfeld begegnen. Mein Großvater war ein Janitschare gewesen, ein großer Krieger. Die Türken hatten ihn als Kind aus dem Slawenreich verschleppt. Er musste zum Islam konvertieren und wurde einer der Elitesoldaten des Sultans. Er war so hellhäutig, wie Slawen nur sein können, ihm verdankte ich meine blonden Haare und die blauen Augen, ich war hellhäutig wie ein Christ. Es reute mich, dass ich nicht

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