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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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geheiratet hatte. Es ist schlimm, wenn man stirbt, ohne den Körper einer Frau zu spüren. Das Schlimmste überhaupt war die Vorstellung, in den grässlichen Schützengräben umzukommen, ohne auch nur einmal die warme Berührung einer Frau genossen zu haben.
    Und so kam es, dass ich, ein türkischer Soldat, zur Blauen Moschee hinüberlief, um den Scheich in dieser Angelegenheit um Rat zu bitten. Vielleicht würde er mir eine Frau vermitteln, die ich auf der Stelle heiraten könnte. Dazu erklärte der Scheich: So viele unserer Soldaten sterben, es wäre unverantwortlich, ein junges Mädchen zurückzulassen. Aber seien Sie unbesorgt, mein Freund, ich kenne eine Witwe, die vielleicht bereit wäre, Sie zu heiraten. Der Kuttab könnte in wenigen Minuten bereit sein. Ich werde sie heute Abend fragen, ob sie einverstanden ist. Wenn Sie eine Brautgabe für die Frau und ihre Kinder anbieten können, wird es schon in Ordnung gehen. Kommen Sie also morgen wieder.
    Gleich am nächsten Morgen kehrte ich in das Haus des Scheichs zurück. Tatsächlich wartete im hinteren, den weiblichen Gläubigen vorbehaltenen Teil der Moschee eine Frau. Unsere Ehe wurde geschlossen, ich zog sofort bei ihr ein. Ihre Kinder waren noch sehr klein, einem gab sie sogar noch die Brust. Ihr Mann war im Krieg gefallen, nun musste sie für sich und ihre Familie sorgen. Sie hatte niemanden, nicht einen Verwandten, der sich um sie gekümmert hätte. Am Abend machte sie mir Essen und sah mir nicht ein einziges Mal in die Augen, doch später, als die Kinder schliefen, zogen wir uns wortlos ins Schlafzimmer zurück. Die Kleider ihres verstorbenen Mannes hingen noch an den Wänden. Ich war nervös, ich hatte noch nie eine Frau berührt. Da lag sie nun unter dem Laken, sie war splitternackt. Ich beschloss, mich angekleidet neben sie zu legen, sie aber begann gleich, mich auszuziehen. Sie fuhr mir mit der Hand über die Brust und sah mir in die Augen. Als mein Organ stärker wurde, nahm sie es in die Hand und führte mich langsam heran. Sie hatte verstanden, dass ich ahnungslos war, der Scheich hatte ihr die Situation offenbar erklärt. Sobald ich in sie eindrang, ejakulierte ich auch schon. Sie hielt mich fest und sagte: Wenn du lebendig zurückkehrst, dann wird dies hier dein Zuhause sein, du wirst noch viele glückliche Stunden hier verbringen.
    In der Schlacht taten mir diese armen Australier sehr leid. Sie warfen sich auf unsere Strände und stürzten in die Läufe unserer Gewehre, wir massakrierten sie zu Tausenden. Es war ein großer Triumph … Lang lebe Atatürk, riefen wir, der große Feldherr, der Retter der Nation!
    Der Teppich meines Vaters hing nun knapp unter der Decke. Ich betrachtete die Ufer und ejakulierte zwischen zwei aufeinandertreffenden historischen Mächten, froh, am Leben zu sein und Wasser zu haben, um Blut und Schlamm, die Spuren dieser schrecklichen Schlachten, abzuwaschen und meine Wunden zu reinigen.
    Endlich schlief ich ein. Am späten Nachmittag wachte ich auf, die Sonne hatte bereits an Kraft verloren und freute sich auf den Vorruhestand im Meer, hinter einem Berg vielleicht oder einer Wolke, hinter dem Umriss eines Pärchens, das sich an den Händen hält, Eis schleckend oder Erdnüsse knabbernd, oder sie füttern ihre Affengelüste mit Bananen und springen von Palme zu Palme, bis sie die Küste erreichen, um erneut Händchen zu halten und sich noch eine Tüte Erdnüsse zu teilen. Meine Schicht begann erst in zwei Stunden, ich konnte mich nicht zum Zähneputzen aufraffen und schwankte, ob ich irgendein Buch aus dem nahen Regal angeln oder die Phantasie zu Ende bringen sollte, in die ich mich verwickelt hatte, und den Sonnenuntergang und die zerklüftete, wankende Küste mit meinem Samen bekleckern. Ich entschied mich fürs Lesen. Dann stand ich auf und putzte mir die Zähne, und ich legte die Last der Flüssigkeit ab, die ich am helllichten Tag im Schlaf angesammelt hatte, während in den Höfen und Gärten des Viertels laut die Kinder spielten.
    Gegen sechs gönnte ich mir ein Glas roten Saft. Kein Laut war zu hören, die große Spinne hatte eine Motte gefangen. Ich schaltete das Licht aus und ging, ich wollte nicht Zeuge werden, wie die Spinne ihre Zähne in die mumifizierte Beute schlagen und die letzte Flüssigkeit heraussaugen würde. Ein Festmahl genügt als Futter für den Abend, dachte ich. Wer zu viel frisst, wird fett wie ein Arzt, antriebslos wie ein arrivierter Schriftsteller, träge wie ein römischer

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