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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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ein wenig frische Luft zu schnappen. Ich hielt an, stieg aus und sah nach, ob der Fluch etwas bewirkt hatte. Aber dem Wagen waren weder Teufelshörner gewachsen noch lange Klauen, seine Augen warfen keine bösen Strahlen, und unsichtbar war ich auch nicht. Ich ging um das Auto, untersuchte die Reifen und tastete nach Knochen und Hühnerfüßen, nach Blut an den Kotflügeln und auf dem Dach. Als ich mir eine Zigarette ansteckte, bemerkte ich, dass mein Schild nicht leuchtete, die Birne war ausgebrannt. Deshalb hatte mich niemand herangewinkt, es sah aus, als wäre ich besetzt oder außer Dienst, als würde ich am Schichtende nach Hause fahren, mit einem Kofferraum voller Leute, die nicht gezahlt hatten. Ich sah finster aus, bedrückt oder tot, mein Auto glitt führerlos durch die Stadt wie das portugiesische Schiff, das am Horn von Afrika aufgegeben wurde und bis in die eisigen Gründe der Antarktis trieb.
    Ich fuhr zu Robe in die Werkstatt, er war der einzige Mechaniker der Stadt, der durchgehend geöffnet hatte. Alle Taxis fahren zu ihm. Robe hat alles da, um Lampen und Scheinwerfer zu reparieren, Hupen, Griffe und Spiegel. Er ist ein Meister der Drähte und der schwebenden Dachschilder. Er spricht kaum ein Wort, hört sich nur an, wo das Problem liegt, und sagt, dass du dich hinten anstellen sollst. In der Schlange beklagen sich die Fahrer darüber, dass sie Einnahmen verlieren, weil Robe sie die halbe Nacht warten lässt.
    Es gibt keinen versiffteren Ort als Robes Klo. Ich erleichterte mich dort aus größtmöglicher Entfernung von der Schüssel. Ich habe einmal die Geschichte von einem Diktator gehört, der auf dem Weg in sein Heimatdorf war und die Toilette in einem Rathaus benutzen wollte. Sie war schmutzig. Er ließ die Bewohner des Dorfs rufen und setzte den Bürgermeister ab. Sie konnten froh sein, dass er sie nicht alle gleich aufknüpfen ließ. Vermutlich wusste der Diktator, dass ein Gehenkter mit dem letzten Atemzug nicht etwa ein Gebet zum Himmel schickt, sondern einen letzten zähen Tropfen Urin absondert, der ihm bis an die Fersen rinnt und dann vor den Füßen der Schaulustigen landet.
    Kamele
    Ich wartete, bis mein Wagen an die Reihe kam. Vor der Werkstatt stand Nummer 43 und trank eine Cola. Ich fragte ihn, warum er hier sei. Seine Hupe war kaputt. Das war mir schon immer klar, dass du von Tuten und Blasen keine Ahnung hast, sagte ich und lachte. Dann erzählte ich ihm von dem Fluch der Frau. Er sagte, er würde das an meiner Stelle nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich lächelte und sagte: Es war nur die Birne, Robe wechselt sie gleich aus.
    Nummer 43 eilte zu seinem Wagen, kam mit einem Stift zurück und sagte: Hier, diese Frau, die musst du anrufen. Sie wird den Fluch von dir nehmen. Er drückte mir einen Zettel in die Hand, den ich faltete und belustigt in die Westentasche steckte. Jetzt erzählte er mir Geschichten von Katzen, die nachts an die Tür klopfen, von Spinnen, die Menschengestalt annehmen, von geschwänzten Zauberinnen, von maskierten Tänzern und Hühnerfüßen, von Ketten, Blut – viel Blut natürlich – und Opferfesten.
    Und was ist mit Kamelen und Turbanen?, fragte ich.
    Kamele?, prustete er. Nein, keine Kamele. Und Turbane? Bloß keine Turbane! Die Turbanköpfe glauben eh nur an ihr Buch. Sie können nicht einmal tanzen wie wir.
    Dafür sind sie die Herren der fliegenden Teppiche, sagte ich.
    Er breitete lachend die Arme aus und drückte mich an seine Brust. Noch einmal ging er zu seinem Wagen, diesmal zog er eine Fußmatte heraus und legte sie auf die Erde. Hier, sagte er, setz dich und flieg ein bisschen, zeig mir, wie das gehen soll!
    Eines Tages werde ich dir zeigen, wie man mit einem Teppich fliegt, sagte ich.
    Er schüttelte sich vor Lachen. Wieder beugte er sich in sein Auto, drehte die Musik auf und tanzte ein wenig im Scheinwerferlicht, dann nahm er seine Fußmatte und stieg in den Wagen. Ruf die Frau an, sagte er, ruf sie an, bevor du auf deinen Teppich steigst und wegfliegst! Er lachte noch immer und brauste davon.
    Am nächsten Tag rief ich die Frau an. Ihre erste Frage war, woher ich die Nummer hätte. Der Taxifahrer, sagte ich. Gut, sagte sie, ich nehme nicht jeden, bei mir läuft das nur über Empfehlungen. Sie gab mir eine Adresse und einen Termin für die folgende Woche.
    Am Abend vor dem Termin fuhr ich zu ihrem Haus. Es brannte kein Licht, vermutlich schlief sie. Einen Hund hatte sie nicht, das hätte ich gewittert, und wäre mir einer begegnet,

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