Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
Vom Netzwerk:
Orgiengänger, tonnenförmig wie die Frau des Diktators. Schwanken wird er, wie ein Elefant, er ist rund wie ein Zelt, sphärisch wie eine Laterne, zylindrisch wie ein Bühnenhebel.
    Ein weiterer Grund trieb mich aus der Wohnung. In den Regalen wurden die Mäuse unruhig, die Bücher begannen schon, sich zu bewegen. Bald würden sich die ersten Figuren von den Seiten lösen, aus Angst, dass ihre Ohren angeknabbert, dass ihre Zehen den Zähnen der Nager zum Opfer fallen würden. Da ging ich besser in den Keller, um mein Schiff für die nächtliche Ausfahrt vorzubereiten.
    Regen
    Ich fuhr durch eine ruhige, beinahe reglose Nacht, die Fahrbahn glänzte im Nieselregen, Passanten warfen lange, grauglatte Schatten. Ich glitt über die regennasse Straße, vorbei an einem wandelnden Jesus und einer Schar von Wildgänsen, die Farbe meines Wagens schimmerte auf dem Asphalt. Ich fuhr und fuhr. Ich staunte, wie wenig Betrieb an diesem Abend war, meist bringt der Regen die Würmer und Wegschnecken zum Vorschein sowie monströse Regenschirme, die aus Handtaschen wiederbelebt, die über Männerhüten gähnend aufgespannt werden. Wenn es regnet, finden sich am Bordstein eigentlich immer Menschen, die wie zögerliche Selbstmörder in die Pfützen starren. Was war nur los an diesem Abend, fragte ich mich, wo sind denn die gottesfürchtigen Seelen, die trockenen Fußes die Sintflut überstehen wollen, wo sind die durchnässten Kadaver, die verzweifelt um Unterschlupf im rettenden Schiff betteln? Seit einer Stunde fahre ich durch die Stadt, nicht eine Seele ist in meinen Wagen gestiegen.
    Im Radio lief Softrock. Bald war Karneval, vermutlich saßen die Leute zu Hause und beugten sich mit Nadel und Faden ein letztes Mal über ihre Kostüme. Vielleicht gingen sie noch einmal ihre Tanzschritte durch, vielleicht stimmte etwas mit meinem Dachschild nicht. Ich hielt an und sah nach, ob das Birnchen kaputt oder das Dachschild nicht richtig befestigt war. Ich hatte nämlich einmal eine Frau mitgenommen, die ihre Fahrt nicht zahlen wollte. Sie bezichtigte mich, einen Umweg gefahren zu sein. Es hätte viel zu lang gedauert, schimpfte sie, ich hätte sie bewusst in die Irre – in ein Labyrinth – geführt. Sie behauptete, sie hätte noch nie so viel für die Strecke bezahlt, die sie schon oft gefahren sei. Worauf ich sie als Lügnerin bezeichnete, die mir das Leben schwer machen wolle, einen Mann zu verdächtigen, der mit harter Arbeit sein Brot verdiente.
    Ich zahle das, was ich sonst auch immer zahle, sagte sie.
    Sie kommen erst aus dem Wagen, wenn Sie mir den vollen Preis gezahlt haben.
    Na gut, sagte sie, ich zahle und verfluche Sie.
    Meine Dame, ich bin längst verflucht, wie alle Seefahrer und Nomaden, mein Narrenschiff liegt im London River auf Grund …
    Was wollen Sie nun haben, den kleineren Betrag oder den Fluch?, fragte sie.
    Sie zahlen, was Sie mir schulden, sagte ich, dann können Sie von mir aus Ihre Hexerei betreiben. Bespritzen Sie mich ruhig mit Ihrem Zaubertrank, ich werde ihn in meiner Zauberkiste sammeln, schauen Sie hier, sie ist gefüttert mit mehreren Lagen weißer, flauschiger Tücher. Ich habe in meiner Jugend den ein oder anderen Zaubertrick gelernt. Ich weiß, wie man Assistentinnen, Tauben und Kaninchen verschwinden lässt. Ich habe gelernt, dass das Universum aus einem Zylinder gezaubert worden ist, dass es aus dem Ärmel eines Trickkünstlers wächst wie eine Blume und dass es eines Tages in der schwarzen Leere eines Taubenfluglochs verschwinden wird. Ich kenne eine Menge Tricks, gute Frau. Früher nannte man mich das hellsichtige Kind, außerdem bin ich Messerwerfer gewesen, die Löwen, deren Käfige ich öffne, sind meine Verbündeten, und ich kann an Ihrem Gewicht ablesen, dass der Mondschein nicht in Ihr Herz dringt und dass Ihr Blick vom Nebel des Aberglaubens und der Gier verhangen ist. Verfluchen Sie mich ruhig, denn das hier ist Ihre Endstation, passen Sie nur auf, wenn Sie aus dem Auto steigen, Sie könnten tief fallen und Ihren Zauberkoffer verlieren.
    Sie zog einen Schein aus der Handtasche, spuckte darauf und schimpfte Unverständliches. Dann sah sie mich im Rückspiegel an und sagte: Der Tag wird Ihnen nichts einbringen, die Nacht wird Ihnen nichts einbringen.
    Sie stieg aus und ging, von ihrer Hand baumelten Tüten wie Hühner, die zum Schlachtblock getragen werden.
    Stundenlang fuhr ich durch die Stadt, tatsächlich stieg nicht ein einziger Kunde in meinen Wagen. Also fuhr ich auf die Anhöhe, um

Weitere Kostenlose Bücher