Spinnen füttern
merkten. Hätten sie auf die Welt da draußen geachtet, hätten sie gesehen, wie der große, helle Mond niedrig über der schwankenden Brücke schwebte. Ich fuhr darunter entlang, dann weiter in südliche Richtung. Ich fahre sehr gern nach Süden, die Vorstellung gefällt mir, dass es zunehmend wärmer wird. Gerade verfolgte ich diesen Gedanken, als eines der Mädchen abtauchte, ihr Kopf verschwand, ihre Freundin schloss die Augen und atmete scharf ein. Ich nahm Ausfahrt 64 und wartete, bis die Ampel auf Grün schaltete. Ich war ganz still. Der Widerschein der Ampel fiel auf das Armaturenbrett und malte einen schwachen, roten Lichtfleck auf die Sitzbank. Die Brust der Frau weitete sich und krampfte zusammen, ihr gepresstes Stöhnen erinnerte an das ferne, schwache Quieken von Kleintieren, die auf Bäume huschen …
Die Ampel sprang um, aus dem roten wurde ein grüner Lichtfleck. Vorsichtig fuhr ich an, um den Augenblick der Berührung nicht zu stören im schillernden, heiteren Licht des Vollmonds. Wir müssten den Mond kolonisieren, dachte ich. Die Menschheit hat einen neuen, glücklicheren Anfang verdient, es sollte niemandem verwehrt sein, Hand in Hand über die Mondoberfläche zu hüpfen, ungeachtet ihres Körpergewichts und ihrer sexuellen Orientierung. Eine ganze Gattung in der Schwerelosigkeit, mühelos in einer Umwelt, in der alles schwebt. Lippen schweben, Seufzer schweben, Schuhe schweben, Knie und Strumpfhosen schweben, schweben über meinem Armaturenbrett, schweben um meinen Rückspiegel und über den Sitzen. Das Leben im Weltraum müsste der Situation nachempfunden werden, die sich gerade im gegenwärtigen Moment im Inneren meines Wagens abspielt, welch großartiges Vorbild, welch großartige Voraussetzungen, um mit dem Verlust der Schwerkraft zu experimentieren: Der Übermensch ist eine Frau! Sie erhebt sich! Ich fuhr mit geschlossenen Fenstern und wurde Zeuge, wie alles frei und schwerelos im Raum zu fließen begann, die Zehen, das leichte, wehende Haar, die Brust der Atmenden. Ich hörte ein Heulen, das zum Mond aufstieg.
Ich hielt an der angegebenen Adresse und meldete, dass das Ziel erreicht sei. Sofort tauchten über der Lehne zwei Köpfe auf. Sie staunten, holten tief Luft und begannen, ihre Kleidung zurechtzuzupfen, sahen sich prüfend an und kicherten. Während Ecstasy noch die Haare richtete, öffnete Ecstasy ihre Handtasche. Zehnfünfundsechzig, sagte ich. Sie zählte mir den genauen Betrag in die Hand. Dein Trinkgeld hast du ja bekommen, oder?, sagte sie und zwinkerte mir zu.
Es hat wohl mit meinem Alter zu tun, dass mich Geld mehr interessiert als die heimliche Lust, in die sich die Menschen flüchten. Ich würde gern so viel verdienen, dass ich mich eines Tages totstellen kann. Ich würde gern den Clown spielen, an einem von Volleyballspielern, Tauchern und Türstehern bevölkerten Strand, an einem Strand voller Frauen, die glücklich und horizontal im Schatten großer Sonnenschirme schweben und ihre prallen, nur durch einen String getrennten Monde zeigen. Und wenn ein wenig Sand an den Uferhängen kleben bleibt, die den schmalen Strom säumen, jubelt die Brandung, der Himmel geht oben ohne, und die Muscheln schnappen und applaudieren.
Ich habe einmal einen Berufsclown mitgenommen, der ein Giraffenkostüm trug. Er war spät dran, er hatte einen Termin bei einem Kindergeburtstag. Wir lachten bei der Vorstellung, dass das längst von den Getränken überzuckerte Publikum auf seinen Auftritt wartete. Das Loch für sein Gesicht befand sich etwa in der Mitte des langen Giraffenhalses. Er öffnete ein Fenster, bog den Giraffenhals um und steckte den Kopf heraus. Ich fuhr schnell, er musste den Hals festhalten, der sich himmelwärts über mein Auto reckte.
Wir lachten, dabei wussten wir beide, wie traurig ein solches Tier sein kann. Eine eingesperrte Giraffe ist eine traurige Angelegenheit, sagte ich. Ich weiß, sagte er, unter jeder niedrigen Zimmerdecke muss sich die Giraffe ducken und erst recht im Souterrain, sie ist so groß und macht sich immer klein.
Warum ziehen Sie nicht aufs Dach, wenn es Ihnen im Souterrain zu eng wird?, fragte ich. Übrigens können Sie Fleisch essen, wenn das Laub knapp wird. Kämpfen Sie lieber für diese Kinder, versuchen Sie nicht, sie mit Luftballons und Witzen zu heilen. Sie hätten ein aufrechter, ein überragender Mann werden können, aber Sie haben Ihr Leben in den Sand gesetzt, sagte ich.
Fahren Sie, sagte die Giraffe, fahren Sie einfach. Sehen Sie
Weitere Kostenlose Bücher