Spinnen füttern
geben, wenn Sie das überprüfen möchten. Wir haben uns kurz unterhalten, sie hat mir ein gutes Trinkgeld gegeben und mich nach meinem Namen gefragt. Die Leute nennen mich Fly. Sie erinnert sich bestimmt.
Und worüber haben Sie sich unterhalten?
Über den Tod.
Sie meinen Mord?, fragte der Polizist.
Nein, über den Tod im Alter.
Werden Sie in nächster Zeit hierbleiben?
Meinen Sie, ob ich in der Wohnung bleibe?
Nein, ich meine, bleiben Sie in der Stadt? Oder wollen Sie irgendwohin verreisen, zum Beispiel mit dem Flugzeug?
Ich brauche keine Flugzeuge.
Wir danken Ihnen für Ihre Hilfe. Oh, noch eine Frage: Sind Sie Mitglied einer politischen Partei?
Nein.
Und darf ich fragen, ob Sie einer bestimmten politischen Partei nahestehen?
Wie gesagt, Herr Wachtmeister, ich fahre auf eigene Rechnung.
Ich verstehe, was Sie meinen, sagte der Polizist. Dürfen wir uns mal kurz bei Ihnen umsehen?
Gern, passen Sie nur auf, dass Sie sich nicht den Kopf stoßen.
Der Mord an dem französischen Journalisten beherrschte die Nachrichten, die Polizei fahndete nach Otto, sein Name stand in allen Zeitungen. Von einem Raubüberfall sei nicht auszugehen, hieß es, die Brieftasche des Journalisten war nicht angerührt worden.
Später an jenem Abend, ich fuhr durch die Stadt, hörte ich im Radio ein Interview mit der Frau, bei der Otto wohnte. Die alte Dame stand schon wieder unter Strom, ihre raue Stimme klang nach Rauch, nach endlosem Zigarettenkonsum. Otto, erklärte sie, sei ein jähzorniger Mann, er sei einsam und verschroben. Sie hätten sich immer über Gott gestritten. Über welchen Gott?, fragte die Journalistin. Über keinen, antwortete die Alte. Er hat sie alle gehasst, er hat mich immer verachtet, weil ich an etwas glaube. Wenn im Fernsehen jemand die frohe Botschaft verkündet oder um Spenden gebeten hat, hat er immer geschimpft, er hat alle diese herzensguten Menschen als Quacksalber bezeichnet und ist dann rausgelaufen und hat die Tür hinter sich zugeschlagen. Ein jähzorniger Mann, wie gesagt.
Regen
Ich montierte die Dachleuchte ab, legte sie in den Kofferraum und fuhr durch die festlich geschmückte Stadt. Ich suchte in der tanzenden Menge nach einem Clown, ich hoffte, Otto unter den Feiernden zu entdecken. Ich war zu dem Schluss gelangt, dass es für einen Exilanten kein besseres Versteck gibt als in einer Horde maskierter Karnevalisten, die den ewigen Kreislauf aus Leben und Tod zelebrieren.
Und es regnete, und im Regen tanzten die Kleider der Stadt. Ich drehte das Fenster runter und steckte mir, meinen eigenen Verbotsschildern trotzend, eine Zigarette an. Wasser rann mir über die linke Gesichtshälfte. Ich befand mich gar nicht weit von meiner Wohnung, als ich mein Schiff parkte, ausstieg und in die Sintflut tauchte. Ich ging ein paar Schritte, blieb stehen und lachte laut auf – mir war Bunzy, der Clown eingefallen, der bei jedem Auftritt einen Rüssel Wasser abbekam. Ich hätte so gern noch einmal durch den Vorhang der Garderobe gespäht, um das Gelächter der Kinder zu sehen, wie sie ihre Gesichter in den Händen vergruben, wie die Menge im Staunen aufrauschte. Es regnete, ich stand da wie ein einsamer, trauriger Clown, der vergeblich auf Applaus wartet. Ich wünschte mir, der Elefant würde kommen und mich auf seinen Rücken heben, ich würde dort balancieren und laut verkünden, dass der Clown, der die Kanonen gezündet hatte, ein Unschuldiger war, ein Verirrter, den die kreisrunde Welt konfus gemacht hatte, die wunderlichen Gesten greiser Affen, das gefährliche Schunkeln von Frauen und Männern, ihre tierartigen Bewegungen; nie hatte er dem Elefanten auf den Fuß treten und mit furchtbar falscher Stimme singen wollen. Er wollte auch nicht in seinem geliehenen Kostüm wanken mit offenen Schnürsenkeln und einer Blume am Revers, die den Zuschauern in die Gesichter spuckte. Diesem Clown, meine Damen und Herren, ging es nur darum, das Publikum aufzurütteln, denn er wusste, dass alles bald ein Ende finden, dass auf die Abreise keine Rückkehr folgen würde.
Der Regen suchte sich einen Weg durch meine Kleidung, ich stand da und betrachtete, wie an der Bordsteinkante die Strömung buckelte, bevor sie ins Nichts entfloh. Ein Regenschirm trieb vorbei, eine Frau lief eilig auf mich zu, sie hielt in ihrer Faust einen Stab aus undurchdringlichen Farben, den sie in die Höhe reckte, um mich vor dem Wasserfall des Elefanten zu schützen. Ich lachte. Sie schützte mich mit ihrem Regenschirm, legte mir den Arm
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