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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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leider nicht reparieren, sagte ich, das Essen schmecke aber auch im Dunklen.
    Wie recht Sie haben, sagte er, selbst in der tiefsten Finsternis ist irgendwo ein Licht. Haben Sie schon gegessen, fragte er.
    Nein.
    Dann kommen Sie, setzen Sie sich.
    Ich nahm die Einladung an. Wir wurden schnell Freunde, immer wieder, wenn ich ihm sein Essen brachte, sprachen wir über das Leben, die Sterne, über Kristalle und Bücher. Zwar galt sein Hauptinteresse der Geschichte und der Literatur, doch auch in Astrologie und Kosmologie war er sehr bewandert . Er tat nichts lieber, als zu lesen und die Wege der Wanderplaneten zu verfolgen, einer Art von Planeten, die man, wie er mir bei einem unserer ersten Abendessen erklärte, als Planemos bezeichnet, exilierte Bündel aus Materie, die ziellos im Universum umherziehen, sie haben weder Umlaufbahnen noch Sterne, die sie umkreisen. Sie ziehen einfach weiter, sagte er, und wissen nicht, wohin. Wobei sie deutlich weiter kommen als andere Planeten, sie sehen und erfahren mehr.
    Weil wir befreundet waren und weil er nicht gut sah, lud er schließlich jeden, der an seine Tür klopfte, zum Essen ein und nannte ihn Fly. Zuerst nahm ein Elektriker das Angebot an, die Reste vom Vortag mit ihm zu essen. Dann kam ein Taxifahrer und stürzte sich auf den Vorrat an Jelly Beans, er aß nur die grünen. Dann kamen ein paar intellektuelle Penner, die sich am Kühlschrank bedienten und, wenn vorhanden, einige Gläser Wein kippten. Das Einzige, was diesen Leuten an der Sache nicht passte, war, dass der Professor sie alle Fly nannte. Sie haben uns ja eingeladen, sagte einer der Penner einmal, Sie müssen uns doch nicht gleich beschimpfen.
    Die Jahre vergingen, schließlich sagte der zerstreute Professor zu mir: Fly, ich habe nur noch drei Monate zu leben, meine Papiere und die persönliche Korrespondenz gebe ich an das Universitätsarchiv, aber du sollst meine Bücher bekommen.
    So war es dann. Wochenlang habe ich Bücher des Professors in meine Wohnung geschleppt. Dieser Professor, der zufällig Alberto Manuel hieß, hatte immer gewünscht, eines Tages einen glorreichen und poetischen Tod zu sterben, sein Vorbild war Al-Jahiz, ein arabischer Philosoph aus dem neunten Jahrhundert, der eine nicht weniger gigantische Bibliothek angehäuft hatte als er selbst. Eines Tages gerieten einige Regale ins Wanken, sie stürzten um und begruben ihn.
    Lieber Fly, es drängt sich die Frage auf, welche Abteilung ihm auf den Kopf gefallen ist. Und wie war seine Bibliothek sortiert?
    Jede Bibliothek folgt einer bestimmten Ordnung, sagte ich.
    So ist es, Fly, sagte der Professor immer, weil sonst alles verloren geht. Der Untergang eines jeden Weltreichs hat mit dem Untergang seiner Bibliotheken begonnen.
    Bei der Beerdigung des Professors traf ich auf viele seiner Studenten und Kollegen. Es wurden zahlreiche Reden gehalten, die das Leben des Professors würdigten, seine wissenschaftlichen Leistungen, seine Liebe zu Büchern, zur Bildung, zum Leben. Selbst Gedichte wurden aufgesagt, einige Lieder gesungen. Ein blonder Mann stand auf und sagte: Ich lese etwas von, entschuldigen Sie meine Aussprache, Abū al-‘Alā’ al Ma‘arrī, dem Lieblingsdichter des Verstorbenen. Und er las die folgende Passage:
    Wir lachen, aber wir verstehen nicht zu lachen,
wir weinen und weinen uns wund,
wir, wie Glas in Scherben liegend,
nichts kann uns zusammenfügen.
    Ein Buch des Professors, das ich nach Hause getragen hatte, hieß Das Salz und seine Geschichte . Als ich an der Reihe war, einige Worte zu sagen, las ich einen Abschnitt über die Verwendung von Salz zu Zeiten der Pharaonen, seinen Einsatz bei der Mumifizierung der lieben Verwandten. Mir war bewusst, dass meine Wahl etwas pedantisch war, allein die Freude, mit der der Professor sein Essen nachgesalzen hatte, rechtfertigte sie. Salz wurde im Ottomanischen Reich nie besteuert, und das Wort tooz , das im modernen Türkisch nicht mehr geläufig ist, hat im Levante überlebt und findet sich bis heute in der Sprache einiger weniger Menschen, die dort leben. Wir wissen nicht, was die Geschichte verschluckt und was sie erhält, es ist ein tiefes Geheimnis.
    Und seit jenen Tagen, liebe Zainab, teile ich mir die Wohnung mit dieser riesigen Sammlung.
    Fly, sagte Zainab, das ist eine wundervolle Geschichte. Tränen standen in ihren Augen. Sie streckte die Hände aus und legte sie mir auf die Wangen. Ich kann mich nicht um dich kümmern, Fly. Es ging dir gestern nicht gut. Du brauchst Hilfe.

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