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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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Kunden, sagte er, sie könne das Geld überweisen oder per Scheck schicken, wenn der Teppich da sei. Zum Schluss reichte er der Dame seine Visitenkarte.
    Sie flog nach Hause. Sie wartete einige Wochen, der Teppich kam nicht. Sie rief die Telefonnummer auf der Karte an, kein Anschluss. Sie hatte dem Mann achthundert Dollar gegeben. Nichts. Der Mann hatte das Geld gestohlen, so einfach war das.
    Als wir vor ihrem Haus hielten, fragte ich, ob sie sich an den Namen des Geschäfts erinnere. Ja, das wusste sie noch. Ich werde nämlich bald meine Familie besuchen, sagte ich, in Tunis. Wir werden Ihnen Ihr Geld verschaffen. Wenn es mir aber gelingt, achthundert Dollar zurückzubringen, würde ich zweihundert davon gern behalten. Sie dachte kurz nach und antwortete: Ich habe dabei nichts zu verlieren. Und dann verschwand diese prächtige Frau in ihrem Prachtschuppen; als sie wiederkam, reichte sie mir die Visitenkarte und eine Quittung, auf einen Zettel schrieb sie ihre Telefonnummer. Ich rufe an, wenn ich zurück bin, sagte ich und verabschiedete mich.
    Als ich in Tunis ankam, stand das Ende des Ramadan kurz bevor. Alle Läden waren geschlossen. Ich feierte Eid bei meiner Familie. In der Woche darauf zog ich meine besten Klamotten an und ging zur Hauptwache in der Stadt. Ich fragte nach Mahmud, dem Chef der Station.
    Der Mann am Empfang fragte: Und wer sind Sie, bitte?
    Sagen Sie ihm, dass ich ein alter Freund seines kleinen Bruders Mansur bin.
    Schon trat Mahmud aus seinem Büro und führte mich zu seinem Schreibtisch. Sein Bruder Mansur war vor Jahren ausgewandert, sie hatten sich lange nicht gesehen. Ich kenne Mansur gut, wir haben hier fünf Jahre zusammengewohnt. Er ist wie ein Bruder für mich.
    Mahmud bestellte Tee und Gebäck. Wir sprachen eine Weile über Mansur und über sein Leben. Ich glaube, dein Bruder hat sich in der Fremde kein bisschen verändert, sagte ich. Er steht noch immer früh auf und isst Brot mit Salz und Olivenöl. Er legt noch immer jeden Morgen Umm Kulthum auf, bewegt seinen Kopf ein bisschen, so, dann trinkt er seinen Tee und schlufft mit seinen Badeschlappen herum, es sind immer noch die gleichen Badeschlappen, die er aus Tunesien mitgenommen hat.
    Mahmud brüllte vor Lachen, er hatte Tränen in den Augen.
    Am Abend nahm er mich mit in sein Dorf, wo ich seine Mutter und seine ganze Familie kennenlernte. Wir aßen vorzüglich, am Ende bat mich die Mutter, ihrem Sohn in der Fremde etwas von dem guten Olivenöl mitzubringen, das im Dorf hergestellt wurde. Mein Koffer ist sehr voll, sagte ich, aber wenn es Mansur glücklich macht, packe ich die ganze Welt hinein.
    Drei Tage bevor ich Tunesien wieder verließ, ging ich noch einmal zu Mahmud ins Büro. Mein Kommandant, sagte ich, ich gehöre ja nun zur Familie, Mansur ist mein Bruder. Bevor ich abreise, möchte ich noch um einen kleinen Gefallen bitten.
    Wenn du Ärger mit jemandem hast, wenn du irgendetwas brauchst in dieser Stadt, kommst du zu mir. Du musst es nur sagen!, sagte Mahmud.
    Ich reichte ihm die Visitenkarte und die Quittung, die mir die Dame gegeben hatte, und berichtete, was der Teppichhändler getan hatte. Miese kleine Diebe wie dieser Händler sind es, die uns – mir und deinem Bruder Mansur – im Ausland den Ruf verderben, sagte ich. Sie treten unsere Namen, unsere Herkunft in den Schmutz. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Ausländer sagen werden, flieg nicht nach Tunesien, das Land ist eine Räuberhöhle. Kommandant, im Namen dieses glorreichen Landes, im Namen unserer Freundschaft bitte ich dich, in dieser Angelegenheit etwas zu tun.
    Mahmud stand auf, schlug mit der Faust auf seinen Stahlschreibtisch und rief den Assistenten herein. Zehn Minuten später raste ich in einem Konvoi von fünf Jeeps, begleitet von zwanzig Polizisten, zum alten Suq, der Kommandant saß neben mir, sobald wir da waren, sprangen die Polizisten ab. Alle Läden mussten schließen, nur der eine nicht, es war unglaublich, der ganze Markt war innerhalb weniger Minuten zu. Jetzt waren wir an der Reihe, gemeinsam mit dem Kommandanten ging ich mitten durch den Suq. Der Händler wurde gerufen, ein alter Mann in einem Anzug. Er trat hinter einem Stapel Teppiche hervor und verneigte sich tief und hündisch.
    Der Kommandant zeigte ihm die Visitenkarte und die Quittung für den angezahlten Teppich. Er gab dem Mann eine Ohrfeige und eine Lektion über Betrug und die beschmutzte Ehre des Landes. Die Angestellten sahen mit an, wie ihr Chef gedemütigt wurde,

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