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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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Tammer, als wir uns noch einmal anstellten.
    Nein, sagte er.
    Wo schläfst du denn?
    Wo ich es dir letztes Mal gezeigt habe, sagte er, unter der Brücke.
    Wir grillen da und so, sagte Skippy. Wieder Gelächter, wieder Abklatschen.
    Ob er Otto noch einmal gesehen habe, nach dieser Nacht, fragte ich.
    Ja, sagte er. Er ist irgendwann mal aufgekreuzt und dann wieder abgehauen.
    Wie lang ist er geblieben?
    Nicht lang. Er brauchte was, sagte Tammer.
    Was denn?
    Was zum Saufen, sagte der Junge und lachte.
    Als die Jungen fertig waren, gingen wir, ich drückte Tammer ein paar Dollar in die Hand. Er zeigte die Scheine gleich seinem Freund. Sie grinsten und kreischten vor Freude, und Skippy legte Tammer den Arm um die Schulter. Und so, Arm in Arm, wankten sie auf dem Bürgersteig davon – ohne ein Wort des Abschieds. Sie überquerten die Straße und rannten los, verschwanden in Gassen und Häuserschluchten, wo Ampeln blinkten.
    Zee
    Am Abend holte ich Zee ab, er war stiller als sonst. Er hatte eine Tasche dabei und nestelte ständig an seinem Kragen. Er rutschte herum und schien etwas in seiner Innentasche zu suchen.
    Und, Boss, wo geht’s hin? Mein Versuch, einen kleinen Gangster zu spielen.
    Ins Industriegebiet, sagte er.
    Ich nahm die Autobahn 41 nach Norden und fuhr bis an den Rand der Stadt, bald zeigten die ersten Industrieanlagen ihre Schlote, der Rauch floss aus den Öfen und zeichnete Kreise und flüchtige Formen in den Himmel. Die alten Arbeiterhäuser, die die Autobahn säumten, waren grau wie die hinter ihnen aufragenden Fabrikhallen, Fassaden und Mauern war getränkt von giftig-fahlem Staub und Zement.
    Nimm die Abfahrt hier, sagte Zee.
    Ich fuhr die Rampe hinunter, vorbei an Reihenhäusern. Ein Lastwagen kam uns entgegen, er schien eine ganze Sanddüne geladen zu haben und machte keinerlei Anstalten auszuweichen, er fuhr unbeirrt geradeaus und drängte uns ab. Die Staubfahne des Lastwagens bedeckte den Wagen und rieselte auf meine Scheiben. Ich schaltete die Scheibenwischer ein, sie malten zwei Bögen, Pfauenschmuck, auf das Glas, vielleicht auch andalusische Fächer, schon stellte ich mir vor, wie ich im maurischen Spanien durch die Bogengänge von Palästen wandelte, die Brunnen plätschern hörte und den Duft von Orangenblüten roch …
    Wir fuhren an Lagerhäusern vorbei, entdeckten einen zwar geöffneten, aber traurig und verlassen wirkenden Laden, sahen ein altes Metallschild, auf dem verblasste Buchstaben ein Erfrischungsgetränk anpriesen, das es längst nicht mehr gab.
    Zee ließ mich anhalten. Er stieg aus und sah sich an der Kreuzung um. Fly, rief er, komm an die frische Luft.
    Ich stieg aus.
    Komm zu mir, sagte Zee. Ich stellte mich neben ihn, gemeinsam warteten wir, bis aus einer Seitenstraße ein Junge auftauchte. Er kam auf uns zu. Sein Gang wirkte seltsam verdreht, sein Bewegungsablauf hatte etwas von einem Tanz mit halbseitiger Lähmung. Er trug einen Hut, der zwei Nummern zu groß war und praktischerweise einen tiefen Schatten über seine Augen warf. Der Junge trat nah an Zee heran und gab ihm etwas, das schnell in der Handfläche des Dealers verschwand.
    Zee fing an, den Jungen auszuschimpfen. Schon wieder zu spät, so läuft das nicht, dass ich auf dich warten muss. Hast du mir alles gegeben?
    Der Junge nickte.
    Am Ende der Straße war ein weiterer Junge, er saß auf seinem Fahrrad und beobachtete uns. Zee hatte ihn auch längst gesehen.
    Wer ist das?
    Mein Bruder.
    Du kommst allein. Und du kommst pünktlich. Zee ging zum Auto zurück, ich folgte ihm.
    Und jetzt?, fragte ich.
    Fountain Street, Nummer 45, sagte er, mehr nicht. Zee wirkte angespannt, eine halbe Stunde lang sagte er keinen Ton. Schließlich, wir waren beinahe schon da, fragte er: Habe ich dich eigentlich schon bezahlt?
    Nein, noch nicht.
    Ich dachte, es käme noch etwas, aber er wollte das Gespräch offenbar nicht fortführen. In meinem ovalen Innenspiegel sah er aus wie ein melancholischer Killer oder wie einer, der gleich umgebracht wird.
    Wir hielten an einem abgewirtschafteten Plattenladen. Die Plattenhülle im Schaufenster war von der knallenden Mittagssonne vergilbt, vom Wechsel der Jahreszeiten verstaubt. Hinter der Auslage hing ein ausgeblichener roter Vorhang, vergessen und beinahe unsichtbar wie ein Trio von Background-Sängerinnen. Die Plattencover zeigten ewig junge, ewig lächelnde Gesichter. Wer weiß, dachte ich, vielleicht ist die Ewigkeit in einer ständigen Schaufensterauslage der Ewigkeit zu finden.
    Ich

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