Spinnenfalle
werde mal drüber nachdenken«, sagte ich und lächelte ihn schief an. »Könntest du ja auch mal tun.«
13
Z iemlich verwirrt taperte ich nach Hause.
Einerseits freute ich mich, dass Marlon unsere Freundschaft - oder was immer das nun war - nicht länger geheim halten wollte, andererseits hatte ich Schiss.
Vor den Lästerzungen, vor den giftigen Bemerkungen, davor, lächerlich gemacht zu werden …
Was würden Laura und Martha sagen? Denen gegenüber hatte ich meine sogenannte »Nachhilfe« oder »Deutsch-AG« immer runtergespielt und behauptet, Marlon und ich würden wirklich nur zusammen Hausaufgaben machen.
Sie hatten zwar manchmal neugierig nachgehakt, aber ich hatte dann nur mit den Achseln gezuckt und das Thema gewechselt.
Waren die beiden immer noch in Marlon verschossen, wie sie damals behauptet hatten?
Würden sie mir übel nehmen, dass ich ihn abgeschleppt hatte?
Aber wer hatte hier eigentlich wen abgeschleppt? Schließlich war es Marlons Idee gewesen, dreimal in der Woche ein paar Stunden zusammenzuhocken!
Er war die treibende Kraft gewesen. Ob er schon damals in mich … verknallt war?
Das hatte er dann aber gut versteckt!
Ich wackelte im Gehen ein bisschen mit den Schultern,
als könnte ich dadurch diese ganzen Spekulationen abschütteln.
Was sollte schon groß passieren?
In unserer Klasse gab es zwei Paare, im Jahrgang noch viel mehr, und niemand würde etwas dabei finden, wenn wir uns als Paar zu erkennen gaben.
Das Lästern und die blöden Bemerkungen würden irgendwann aufhören.
Warum sträubte ich mich also?
Zu Hause wartete eine lächelnde Ljuba auf mich.
»Hab ich dir gekauft neuen Nagellack«, sagte sie und gab mir ein Tütchen.
Ich sah sie entgeistert an. »Das brauchtest du aber nicht«, sagte ich. »Du hast doch kaum welchen verbraucht.«
»Doch, doch«, gurrte sie. »Bist du nett zu mir, bin ich nett zu dir. Okeh?«
Hm. Auf einmal begriff ich.
Sie wollte was von mir. Sie wollte mich kaufen mit diesem dusseligen Nagellack und diesem ach so freundlichen Getue.
Ich ging in die Küche und goss mir ein Glas Mineralwasser ein. Küssen macht durstig, das wusste ich inzwischen.
»Und wie kann ich nett zu dir sein?«, fragte ich kühn.
Aber sie lachte nur. »Weiß ich noch nicht. Sag ich dir, wenn ich weiß, ja?«
Dann brüllte ein Zwilling nach ihr und sie rannte nach oben.
»Danke übrigens«, schrie ich hinter ihr her.
Langsam drehte ich das leere Glas in der Hand hin und her.
Was wollte sie von mir?
Ich nahm nicht an, dass sie mich urplötzlich leiden konnte. Bestimmt konnte sie mich immer noch genauso wenig ab wie ich sie.
Also hatte sie etwas vor, wozu sie meine Hilfe brauchte. Oder mein Schweigen.
Sie hatte bereits dafür gesorgt, dass meine Eltern und Daniel ihr mittlerweile eher glaubten als mir. Sie hielten mich für eifersüchtig und missgünstig und beleidigt.
Mir zog sich die Kehle zusammen und es lief mir eiskalt über den Rücken. Falls ich Ljuba bei irgendwas Üblem erwischte, würde mir keiner glauben, sondern alle würden denken, ich wollte sie ausbooten.
Ich war ratlos.
Was hatte sie vor?
Beim Abendbrot beobachtete ich sie unauffällig.
Klar, sie war ausgesprochen hübsch.
Irgendwie hatte sie es in den vergangenen Wochen geschafft, sich eine makellose Sonnenbräune zuzulegen. Die schwarzen Locken waren länger geworden und jetzt band sie die Haare oft zu einem lockeren Knoten auf dem Hinterkopf zusammen. Dann ringelten sich nur noch kurze Löckchen um ihr Gesicht. Ihre Lippen waren sehr rot, auch ganz ohne Lippenstift, und ihre Wimpern waren so, wie sie es in der Mascara-Reklame zwar immer versprechen, wie es aber nie klappt.
Beneidenswert.
Zugegeben - sie war nicht die Allerdünnste. Sie hatte Kurven. Aber sie war überhaupt nicht dick oder pummelig, sie war nur … weiblich. So ein Typ wie Laura. Wahrscheinlich war es das, was Daniel so an ihr gefiel.
Ich schloss kurz die Augen und freute mich, dass Marlon nicht den gleichen Geschmack hatte. Der fand meine Nicht-Kurven attraktiv.
Jedenfalls hatte er das gesagt, und so wie er mich streichelte
und an mir rumknabberte, konnte ich ihm das auch beruhigt glauben.
Am nächsten Tag machte Marlon in der ersten großen Pause seine Ankündigung wahr.
Er ergriff meine Hand und schlenderte dann mit mir zu der Hofecke, wo unsere Klasse immer abhängt. Wir stellten uns zu den anderen, als wäre das das Normalste der Welt, obwohl ich innerlich total durcheinander war. Aber er ließ einfach nicht
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