Spinnenfalle
ist ja das Problem.
Manche Dinge bekomme hier nur ich mit - und keiner will was davon hören.
Ich hatte nämlich einen konkreten Verdacht, aber ich konnte mit keinem hier darüber reden.
Jemand war in meinem Zimmer gewesen und hatte meine Sachen durchsucht.
Nicht durchwühlt - nur durchsucht. Ganz unauffällig.
Ich habe es auch nur durch einen Zufall gemerkt.
Ich bin nämlich nicht paranoid, sondern ich habe ein gutes Gedächtnis. Auch für Kleinigkeiten.
Jemand war an meinem Schreibtisch gewesen.
Ich bin eigentlich kein besonders ordentlicher Mensch, aber in ein paar Dingen bin ich sehr akkurat.
Zum Beispiel bei meiner Postkartensammlung. Ich kaufe mir in Museen oder in fremden Städten immer Postkarten und die stecken genau sortiert in einem bunten Karton in meinem Schreibtisch.
Ich wollte für Marlon eine Karte von Peter Gaymann raussuchen, von dem gibt es eine schier unendliche Serie mit Hühnern, die ich klasse fand. Damit hatte meine Sammelei angefangen.
Und die Hühner steckten hinter den Haderer-Postkarten.
G kommt aber vor H, und meine Karten sind alphabetisch geordnet, was der Postkartenschnüffler offensichtlich nicht gemerkt hatte. Ich saß an meinem Schreibtisch, der kleine Karton stand vor mir auf dem Tisch und ich grübelte.
Daniel hätte null Interesse an meinen Karten gehabt.
Unsere Eltern betreten Danis und mein Zimmer nur nach Ankündigung, und ganz bestimmt würden sie nicht an unsere Schreibtische gehen.
Wenn die Zwillinge hier drin gehaust hätten, sähe es bestimmt anders aus. Außerdem interessierten sie sich nicht für meine Karten, die wären an mein Schmuckkästchen gegangen oder hätten meine Klamotten anprobiert. (Haben sie auch schon gemacht.)
Blieb also nur noch eine übrig.
Ljuba.
Die hatte hier was gesucht. Aber was? Oder war sie bloß neugierig gewesen?
Eher nicht - sie konnte mich nicht besonders gut leiden und wollte mich bestimmt nicht durch so eine Aktion besser kennenlernen.
Aber was hatte sie gewollt?
Mich fröstelte. Es ist ein Scheißgefühl, wenn man sich in seinen eigenen vier Wänden nicht mehr sicher fühlen kann.
Was sollte ich tun? Sie zur Rede stellen?
Witzlos, sie würde alles abstreiten und man würde ihr glauben und mich für total durchgedreht halten.
Sie könnte jederzeit wieder meinen Schreibtisch durchsuchen.
Aber da gab es doch nur Stifte und Briefpapier und Klebeband und Bastelzeug und Büroklammern und Klarsichthüllen.
Und meine Schachtel mit den Postkarten.
Verdammt! Ich wollte nicht, dass sie hier reinspazierte und sich meine Sachen anschaute.
Aber ich war vormittags immer in der Schule - alle außer Ljuba waren weg, und sie konnte hier tun und lassen, was ihr gefiel.
Was mir nicht gefiel.
Ich überlegte, ob es einen Trick gab, wie ich sie beim nächsten Mal erwischen konnte.
In einem uralten Bond-Film (einem Klassiker mit Sean Connery) klemmt Bond ein Haar in seine Schublade, und als er zurückkommt und es auf dem Boden liegt, kombiniert er knallhart: Da war jemand dran gewesen!
Sollte ich auch ein Haar reinklemmen?
Quatsch.
Dass sie hier drin gewesen war, wusste ich ja jetzt.
Beim Herumschnüffeln erwischen konnte ich sie nicht, denn ich konnte nicht tagelang Schule schwänzen und hier Lauerposten beziehen, ohne dass es auffiel.
Außerdem - ich blickte mich um - war nichts weggekommen.
Es ging also nicht um Klauen.
Sie suchte irgendwas.
Mich fröstelte wieder, trotz sommerlicher Temperatur.
Ich hatte damals den richtigen Riecher, das weiß ich heute.
Aber ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was es war, wonach sie suchte.
Das konnte damals keiner von uns ahnen.
15
I ch würde mich gern für die Einladung neulich revanchieren«, sagte Marlon am nächsten Nachmittag.
»Ach ja? Und wie?«, meinte ich geistesabwesend, weil ich mal zur Abwechslung mit ihm Mathe machte und über einer Aufgabe schier verzweifelte.
»Ich könnte was kochen.«
»Was? Pellkartoffeln und Quark?«
Er lachte und boxte mich sanft auf den Arm. »Dussel. Nein, was Indonesisches. Glaubst du, deine Familie würde das mögen?«
Jetzt wandte ich ihm meine volle Aufmerksamkeit zu. Essen ist wichtig. Und gut essen ist äußerst wichtig.
»Wir gehen manchmal ins China-Restaurant. Das Essen da mögen wir alle sehr.« Ich grinste. »Leider viel zu selten, weil es für eine Familie ziemlich teuer ist.«
Er kräuselte nachdenklich die Lippen. Gebannt sah ich auf seinen Mund und dachte auf einmal an was ganz anderes als Essen oder Mathe.
»Dann
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