Spinnenfalle
sollen, wurde nun zu einer
allgemeinen Info-Stunde zum Thema Au-pair und Russland.
Anstatt mit Laura und Martha die Leute aus der Klasse und die Lehrerinnen und Lehrer durchzuhecheln, hörte ich nun artig zu, wie Ljuba lebhaft und witzig von Moskau erzählte.
Laura und Martha hatten tausend Fragen, und keine von beiden schien zu merken, dass ich nichts mehr sagte.
Ich tunkte konzentriert ein Stück Obst nach dem anderen in die Schokosoße, ließ die Kuvertüre erstarren und steckte mir dann einen Bissen nach dem anderen in den Mund, ohne richtig was zu schmecken.
Ich war total enttäuscht.
Als sich dann Ljuba nach einer Ewigkeit erhob, bedankte sie sich herzlich bei meinen Freundinnen - mich ignorierte sie.
»War toll. Ich mache so viele schöne Erfahrungen in Deutschland. Habe ich solches Glück mit meiner Familie«, schmalzte sie.
Wenn ich übersinnliche Fähigkeiten besessen hätte, hätte ich sie vielleicht innerlich triumphieren hören können.
»Muss ich Kathi und Kris abholen«, fuhr sie fort. »War so schön mit euch, lerne ich Freundinnen von Alex so gern kennen.«
Ja, dachte ich. Meine Freundinnen vielleicht. Aber mich willst du gar nicht kennen.
Als sich die Tür hinter Ljuba geschlossen hatte, sagten Laura und Martha fast gleichzeitig:
»Och, ist die nett!« und »Mit der habt ihr aber ein Riesenglück gehabt!«
»Hmmm«, machte ich, weil ich den Mund voll hatte und weil ich auch nicht wusste, was ich zu diesen Lobestiraden sagen sollte.
»Warum bist du denn so unfreundlich zu ihr?«, fragte Martha. »Die ist ja ganz anders, als du sie immer geschildert hast. Gar nicht zickig oder abweisend.«
»Hmmm«, machte Laura nachdenklich. »Vielleicht hast du ihr keine echte Chance gegeben.«
»Ich? Keine Chance? Moment mal …«, konterte ich. »Ihr wisst doch gar nicht, wie oft sie mich am Anfang abblitzen ließ! Wie sie sich zwischen meine Eltern und mich gestellt hat! Wie sie sich eingeschmeichelt hat! Wie sie sich bei allen lieb Kind gemacht hat!«
Langsam ging mir die Luft aus.
»Ich finde, du benimmst dich wahnsinnig eifersüchtig«, sagte Laura. »Gönn ihr doch mal, dass sie eine so nette Familie wie eure gefunden hat.«
Ich schwieg.
Die beiden hatten keine Ahnung.
Zugegeben, wenn man diesen Nachmittag ganz unbefangen betrachtete, war Ljuba eine nette Mitmacherin gewesen, sympathisch und witzig und richtig charmant.
Ich spürte, wie sich mir vor Wut die Kehle zusammenzog.
Dieses raffinierte Miststück!
Monatelang ignoriert sie mich, macht mich schlecht, lügt und durchsucht mein Zimmer - aber niemand würde mir das glauben.
Nicht mal meine Freundinnen. Nicht nach dieser Show, die Ljuba in den letzten beiden Stunden abgezogen hatte.
Also sagte ich nichts und tat so, als wäre der Nachmittag ein voller Erfolg gewesen.
Martha und Laura waren jedenfalls hochzufrieden, als sie sich verabschiedeten.
»Du solltest ein bisschen mehr auf sie zugehen«, flüsterte mir Martha noch schnell ins Ohr. »Stell dir doch
bloß mal vor, du wärst allein in einem fremden Land! Da braucht man eine freundliche Ansprache!«
»Tschüs, Alex«, sagte Laura und nestelte an ihrem Jeansbund. »Eins schwör ich dir - wenn ich heute Nachmittag zugenommen habe, mach ich dich platt.« Sie seufzte. »Aber es hat göttlich geschmeckt.«
Ich brachte das Geschirr nach oben in die Küche und gab meinem Zimmer seinen gewohnten Look wieder.
Nix mehr mit Harem oder so.
Wieder mal grübelte ich über mein Dauerthema nach.
War ich wirklich so unfreundlich zu Ljuba? Hatte die insgeheim gezeigt, dass sie mich doch als Freundin wollte, und ich hatte es bloß nicht mitgekriegt?
Blödsinn. Ich dachte an den Vorfall mit Papas Schreibtisch, an die Halbwahrheiten und Lügen, an diese krumme Tour, mit der sie mir den Samstagsausflug verdorben hatte - sie konnte mich nicht leiden und wollte mich bei meiner Umwelt in Misskredit bringen, jawohl.
Das meldeten mir meine Antennen ganz unmissverständlich: Ljuba konnte mich nicht ausstehen.
Und ich hatte keine Ahnung, warum.
Ich war anfangs ganz freundlich und offen auf sie zugegangen, das wusste ich. Ich hatte sogar die bescheuerte Idee gehabt, wir könnten Freundinnen werden, aber sie ließ mich abfahren.
Und als ich mich mit dieser Situation arrangiert hatte - okay, dann eben nicht -, stellte sie sich zwischen meine Eltern und mich. In letzter Zeit versuchte sie auch wieder, Daniel auf ihre Seite zu bringen, und bald würde ich bei den Zwillingen auch verspielt haben,
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