Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
Essen und Getränke ergossen sich in alle Richtungen. Flüche und Schreie erklangen, aber ich war bereits weitergerannt.
Der Weg vom Ballsaal nach draußen folgte einem geraden langen Flur, aber ich konnte Alexis, Stephenson oder Finn nirgendwo entdecken. Sie mussten bereits draußen sein. Es hatte mich kostbare Sekunden gekostet, an dem Riesen vorbeizukommen.
Ich rannte den Flur entlang zum Haupteingang. Caines Schritte folgten mir über den Teppich. Die Eingangstür stand offen, um die herbstliche Nachmittagssonne in den Raum zu lassen. Aber sie wärmte mich nicht. Kein bisschen.
Als ich draußen auf dem Parkplatz vor dem Country Club angekommen war, drehte ich den Kopf erst nach links, dann nach rechts. Da! Auf der Hälfte des steilen Hügels, der zum imposanten Gebäude führte, stand eine Limousine. Wayne Stephenson ließ gerade seine Faust auf Finns Brust niederfahren, der sofort in sich zusammensackte. Bewusstlos. Stephenson verfrachtete ihn auf den Rücksitz der Limo, dann stieg er hinter ihm ein. Alexis, Roslyn und die zwei anderen Schläger mussten bereits im Wagen sein, denn ich konnte sie nirgends entdecken.
»Finn!«, schrie ich und rannte los. »Finn!«
Zu spät.
Die Tür knallte zu, Reifen quietschten, die Limousine löste sich vom Randstein und verschwand in der Nachmittagssonne.
27
Im ersten Moment stand ich einfach nur da und konnte nicht glauben, was gerade geschehen war. Dass Alexis Finn und Roslyn in ihrer Gewalt hatte. Fortuna, dieses launische Miststück, spielte mir heute ganz schön übel mit.
Caine kam hinter mir schlitternd auf dem Schotter des Parkplatzes zum Stehen. Irgendwann während des ganzen Aufruhrs hatte der Detective seine Waffe aus dem Knöchelholster gezogen.
In meinem Kopf legte sich ein Schalter um, wie es so oft der Fall war. Ich war auf Töten programmiert. Im Bruchteil einer Sekunde schätzte ich unsere Chancen ein. Mehrere Chauffeure waren aus ihren Autos ausgestiegen, um zu sehen, was los war. Die smokingtragenden Herren vom Parkservice starrten mich mit weit offenen Mündern an. Und sie waren nicht die Einzigen, die sich für mich interessierten: Sobald Mab Monroes Riese wieder Luft bekam, würde er mich suchen kommen.
»Wir müssen hier verschwinden. Jetzt«, sagte ich leise.
Ich marschierte über den Parkplatz. Caine steckte seine Waffe ein und folgte mir.
Nachdem wir es nicht hatten riskieren wollen, einem Parkwärter ein gestohlenes Auto zu übergeben, war Finn mit seinem eigenen Mercedes zum Country Club gefahren – und er hatte immer noch die Schlüssel. Es wurde Zeit, uns einen anderen fahrbaren Untersatz zu besorgen.
Ich eilte an mehreren Reihen geparkter Autos vorbei, bis ich außer Sichtweite der neugierigen Chauffeure und Klubangestellten war. Nach ungefähr zwei Minuten fand ich einen BMW , der schon mehrere Jahre alt war – und damit keine Alarmanlage hatte. Ich benutzte den Knauf meines Messers, um das Fenster einzuschlagen, dann ließ ich mich auf den Fahrersitz fallen und schloss den Wagen kurz. Finn war nicht der Einzige, der Autos stehlen konnte, auch wenn er es mit viel mehr Geschick und viel weniger Dreck schaffte.
Caine öffnete die Beifahrertür und glitt auf den Sitz. Keiner von uns sprach ein Wort, als ich aufs Gas trat und wir davonbrausten.
Ich fuhr ungefähr zwei Meilen, dann bog ich bei der ersten Tankstelleneinfahrt ab, die ich entdeckte, und hielt am hintersten Ende des betonierten Bereichs an. Ich zog mein Handy aus der Tasche.
»Was tust du?«, fragte Caine.
»Ich rufe Finn an.«
Das Handy klingelte. Einmal. Zweimal. Dreimal. Vier-…
»Hallo?« Statt Finn flüsterte Roslyn in den Hörer.
»Hier ist Gin.«
»Es tut mir so leid, Gin. Mir war nicht klar …«
»Es ist okay, Roslyn«, sagte ich in dem Versuch, sie zu beruhigen. »Es war nicht dein Fehler. Es war meiner, ich war schlampig. Du wirst schon bald wieder zu Hause bei Catherine sein. Jetzt gib mir Alexis James an den Apparat.«
Ich drückte einen Knopf, um den Lautsprecher meines Mobiltelefons zu aktivieren, dann hielt ich das Handy in Caines Richtung, damit er das Gespräch mithören konnte.
»Wer ist da?«, erklang eine weibliche Stimme. Kalt, hart, selbstgefällig.
»Hallo, Alexis«, sagte ich.
Alexis James’ Lachen hallte aus dem Hörer. »Also kennen Sie meine Stimme. Gut. Das macht es einfacher.«
»Wo ist Ihre Schwester?«, fragte ich. »Wo ist Haley?«
Ich hätte mich viel lieber mit Haley unterhalten. Sie hatte gewirkt, als stände sie
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