Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
das verstanden hast, kann dir niemand mehr etwas anhaben. Nicht einmal ich oder Mab Monroe.«
Jo-Jo warf ihr Papiertuch weg und fing an, im Salon herumzuräumen. Während sie arbeitete, saß ich da und dachte über ihre Worte nach – und über die kalte Angst, die sie in mir auslösten.
Die gesamte nächste Woche hinweg beherrschte die Alexis-James-Story die Medien. Die Medien von Ashland rissen sich mit einer nie dagewesenen Sensationsgier um die Angelegenheit. Berichte über Alexis James und die Toten, die sie hinter sich zurückgelassen hatte, erschienen in allen Zeitungen und liefen nonstop im Radio. Donovan Caine musste ein besserer Lügner sein, als ich gedacht hatte, denn der Detective schob der Luftmagierin die Schuld für alles in die Schuhe, und niemand schien auch nur auf den Gedanken zu kommen, ihm zu widersprechen.
Haley James hätte es vielleicht getan, wäre sie noch dazu fähig gewesen. Aber in der Nacht nach den Vorfällen im Steinbruch brannte ihr Haus bis auf die Grundmauern nieder, mit ihr darin. Nur die Steinfundamente überlebten das Höllenfeuer, zusammen mit ein paar von Haleys Zähnen. Alles andere wurde von der Hitze vernichtet. Das Feuer wurde als Unfall eingeordnet. Nachdem er keine Leiche zu sezieren hatte, schrieb der Gerichtsmediziner einfach ins Protokoll, dass Haley wahrscheinlich an Rauchvergiftung gestorben war. Aber ich bezweifelte nicht, dass Mab Monroe ihr einen Besuch abgestattet hatte, weil sie Alexis’ Umtriebe vor ihr geheim gehalten hatte. Also war genau das eingetreten, wovor Haley sich so gefürchtet hatte. Ironie des Schicksals dieses elenden Miststücks.
Finn startete seine eigenen unauffälligen Nachforschungen zu dem Thema und funkte seine verschiedenen Kontakte an. Er wollte wissen, ob Haley Mab alles erzählt hatte, ob die Feuermagierin etwas über Fletcher, Finn oder mich wusste. Darüber, was wir taten, oder wofür die James-Schwestern uns angeheuert hatten. Aber anscheinend hatte Haley dazu gar keine Chance bekommen. Gerüchten zufolge war Mab so wütend über ihre Beteiligung an der Veruntreuung gewesen, dass sie sie sofort hatte in Flammen aufgehen lassen, ohne überhaupt Fragen zu stellen. Und nachdem Alexis und der Rest ihrer Männer tot waren, gab es niemanden mehr, der reden konnte. Das bedeutete, dass Finn und ich sicher waren vor Schnüfflern oder Leuten, die uns an Mab verraten wollten.
Eine Woche nach dem Vorfall im Steinbruch begruben wir Fletcher auf dem Blue-Ridge-Friedhof. Ich, Finn, Jo-Jo, Sophia, die Bedienungen und Köche aus dem Pork Pit und ein paar von Fletchers Kumpeln, die genauso verknittert, alt und brummig waren, wie er es gewesen war. Roslyn Philipps tauchte ebenfalls auf, auch wenn die Vampirin sich am Rand hielt.
Es war ein wunderschöner Herbsttag mit strahlend blauem Himmel, warm leuchtender Sonne und hier und da ein paar Schäfchenwolken. Der Friedhof lag auf einem Plateau in den Bergen, die Ashland umgaben, und bot eine phantastische Aussicht auf die Stadt und die Landschaft drum herum. Das Gras unter unseren Füßen glänzte metallisch, während das rostrote und gelbe Herbstlaub dem Anblick noch mehr Farbe verlieh. Die Bergspitzen um uns herum waren nicht mehr als dunkle Kleckse vor dem hellblauen Himmel.
Wir standen im Kreis um einen einfachen polierten Holzsarg. Fletcher hätte nichts Besonderes gewollt – so war er einfach nicht gewesen –, und Finn hatte die Wünsche seines Vaters respektiert. Der Pastor hatte gerade mit der Messe am Grab begonnen, und die ersten Leute weinten bereits. Einige Bedienungen und Köche schluchzten in ihre Taschentücher. Die alten Männer tupften sich damit in den Augenwinkeln herum. Finn tat dasselbe. Jo-Jo Deveraux wimmerte wie ein Baby, ohne sich ihrer Tränen zu schämen, obwohl sie ihr Make-up ruinierten. Sophia stand neben ihrer älteren Schwester und tätschelte ihr den Rücken. Die jüngere Zwergin hatte trockene Augen, genau wie ich. Ich hatte all meine Tränen in der Nacht geweint, in der ich Fletcher gefunden hatte. Jetzt fühlte ich mich einfach … leer. Hohl. Ein weiteres Stück meines Herzens war verschwunden und würde niemals zurückkommen. Genau wie all die anderen Stücke, die ich über die Jahre verloren hatte.
Während der Pastor die üblichen tröstenden Worte sprach, wanderten meine Gedanken zurück zu dem Tag, an dem Fletcher mich aufgenommen hatte …
Meine Familie war nun schon seit neun Wochen tot. Vielleicht auch zehn. Die Zeit hatte für mich nur noch
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