Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
Zeichen aktivieren und sich durch den Stein verbreiten – bis mich ein schriller Schrei aus tiefstem Schlaf weckte.
Finn und ich saßen am Küchentisch und beschäftigten uns mit den Geldbeuteln und anderen Gegenständen, die wir den Männern in Finns Wohnung abgenommen hatten. Ich öffnete die Geldbörse des Kleinen und starrte auf den Führerschein.
»Gefälscht«, verkündete Finn.
Ich musterte die Karte. »Woher weißt du das?«
»Das Siegel von Ashland ist auf der falschen Seite. Es sollte rechts sein, dem Foto gegenüber, nicht am linken Rand über dem Bild.«
Finn kümmerte sich nicht nur um das Geld anderer Leute, er war auch ziemlich gut mit Dokumenten. Er hatte all meine gefälschten Ausweise angefertigt und konnte Unterlagen so gut manipulieren, dass selbst der erfahrenste Finanzsachverständige darauf hereinfiel.
Unter dem Stapel von Geldbeuteln glitzerte etwas. Ich griff nach dem Metall und zog die Kette hervor, die Finn dem Kleinen vom Hals gerissen hatte. Daran hing ein kleines Medaillon – ein dreieckiger Zahn aus poliertem schwarzem Gagat.
»Wonach sieht das für dich aus?«, fragte ich.
»Wie ein geschmackloses Stück Männerschmuck.«
»Komm schon. Mal ernsthaft. Schau es dir noch mal an.«
Er beäugte das Schmuckstück prüfend. »Ein Zahn. Nein, warte, es könnte eine Rune sein. Ein Zahn … das Symbol für Stärke und Erfolg. Glaubst du, dass ein Elementar in die Sache verwickelt ist?«
Finns Blick huschte zu den drei Zeichnungen auf dem Sims. Die Schneeflocke, die Efeuranke, die Schlüsselblume. Die Symbole meiner toten Familie. Dann glitten seine grünen Augen zu meinen Händen und den Spinnenrunen, die in meine Handflächen eingebrannt waren. Finn wusste, dass ich ein Stein- und Eiselementar war, obwohl ich ihm nie etwas von meiner Familie erzählt hatte. Aber ich war sicher, dass er Recherchen über die Runen angestellt hatte, die ich gezeichnet hatte, und herausgefunden hatte, wem sie gehörten. Für Finn waren Informationen wie ein Aphrodisiakum. Die Geheimnisse anderer aufzudecken war für ihn ein amüsantes Spiel. Fletcher war genauso gewesen. Aber keiner von ihnen hatte mich je nach den Runen oder nach meiner Vergangenheit gefragt.
Frag nicht, sag nichts. Die einzige Regel, die wir drei immer befolgt hatten.
»Ja, es ist ein Elementar in die Sache verwickelt.«
»Woher weißt du das?«, fragte Finn.
»Im Pork Pit gab es einige Schäden. Umgeworfene Tische, zerbrochene Stühle, gesprungene Fenster; als hätte ein Tornado im Restaurant gewütet. Für mich sah es aus wie das Werk eines Luftelementars.« Eine glatte, mühelose Lüge. »Aber ich habe dieses spezielle Symbol noch nie gesehen, und ich kenne die Runen von allen großen Elementarfamilien in Ashland.«
Zumindest die der extrem Reichen. Sie waren die Einzigen, die sich meine Dienste leisten konnten. Allein ihre Fehden hätten mir für den Rest des Lebens eine sichere Auftragslage verschaffen können. Mitglieder der gegensätzlichen Elementarfamilien, wie Stein und Luft oder Feuer und Eis, verkehrten nur selten miteinander, außer sie wurden durch Geschäfte oder die gelegentliche verhängnisvolle Romeo-und-Julia-Liebesgeschichte dazu gezwungen. Diese Elementare rangelten immer um die gesellschaftliche Stellung, Geld und Macht, zusammen mit den reichen Menschen, Vampiren, Riesen und Zwergen, aus denen die Oberschicht der Stadt bestand. Wenn die Elementare ihre Wünsche nicht mit Geld durchsetzen konnten, dann griffen sie auf ihre Magie zurück, oft mit grausamen Folgen. Die anderen hielten es ebenso. Duelle im Morgengrauen waren in der Stadt keine Seltenheit. Und wenn das nicht funktionierte, nun, dann heuerten sie eben jemanden wie mich an, um die Drecksarbeit zu erledigen.
Die schwächeren Elementare und anderen Magiewirkenden mit bescheideneren Mitteln lebten einfachere Leben. Sie arbeiteten in normalen Jobs und schickten ihre Kinder in die öffentlichen Schulen. Lebten in sauberen Vororten und fuhren mit Minivans zu Ballettstunden. Einige von ihnen benutzten ihre Magie so gut wie nie.
Am meisten nutzten die armen, verzweifelten Elementare ihre Magie. Sie vollführten an Straßenecken Zaubertricks zur Belustigung der Passanten und um ein wenig Kleingeld zu erbetteln, mit dem sie ihre Sucht der Wahl finanzieren konnten, gleich ob Drogen, Alkohol, Sex oder Blut. Der ständige Kampf ums Überleben und die dauernde Verwendung ihrer Magie brannten sie aus – oder trieben sie in den Wahnsinn. Ich hatte
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