Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
Fletcher nicht so erbarmungslos gefoltert worden. Ich hatte schon viel von den Grausamkeiten gesehen, die sich Leute gegenseitig antaten, und ich erkannte die Anzeichen von Luftelementar-Magie, wenn ich sie sah. Der Kleine hatte für irgendwen gearbeitet. Es machte Sinn, dass er das Symbol seiner Arbeitgeberin mit sich trug, wer auch immer sie sein mochte.
»Wir werden es rausfinden«, versprach ich. »Lass uns schauen, was wir sonst haben.«
Wir untersuchten den Rest der Sachen. Weitere gefälschte Ausweise, ein paar Kreditkarten und mehrere Hundert Dollar in bar. Nichts Nützliches. Während wir arbeiteten, lief im Hintergrund der Fernseher. Um fünf Uhr morgens gingen die Frühnachrichten auf Sendung. Die Topmeldung war der Vorfall in der Oper. Finn und ich setzten uns auf die Couch und beobachteten das Spektakel.
Ein Reporter stand vor der Oper. Im Hintergrund flackerten rote Lichter. »Gestern Nacht nahm im Opernhaus von Ashland eine Tragödie ihren Lauf, als eine geistesgestörte Frau versuchte, einen der Gäste zu ermorden. Als Zielperson wird Gordon Giles vermutet, ein wohlhabender Geschäftsmann und Finanzchef von Halo Industries.«
Auf dem Bildschirm erschien dasselbe Foto von Giles, das auch Fletcher in seinen Unterlagen hatte. Der Reporter berichtete von den Vorgängen an diesem Abend, wenn auch in einer ziemlich verdrehten Version. In seiner Erzählung war ich gar nicht erst in die Loge eingedrungen, weil Detective Donovan Caine mich aufgehalten hatte, wobei unglücklicherweise ein unschuldiger Beobachter ums Leben gekommen war. Mediendreck. Ich fragte mich, wie sie erklären wollten, dass die Blutspritzer sich in der Loge befanden, nicht im Flur davor.
»Obwohl Giles den eigentlichen Vorfall unverletzt überstand, wurde er auf dem Heimweg in einen Autounfall verwickelt. Ein großer Geländewagen rammte seine Limousine. Die Polizei erklärt, dass sich beim Aufprall der Tank entzündete, weswegen der Wagen explodierte. Giles und sein Fahrer wurden noch an der Unfallstelle für tot erklärt.«
Im Fernseher erschien das Bild einer lichterloh brennenden Limousine. Giles umbringen, Fletcher foltern … Unser mysteriöser, weiblicher Luftelementar war ein vielbeschäftigtes Mädchen.
»Sie haben Giles trotzdem erwischt«, murmelte Finn. »Sie wollten ihn wirklich ziemlich dringend tot sehen.«
Der Reporter erschien wieder auf der Mattscheibe. »Giles wurde von einer Frau angegriffen. Die Polizei geht davon aus, dass sie eine frühere Geliebte des Geschäftsmannes ist, eventuell eine Prostituierte. Außerdem wird vermutet, dass sie hinter dem Autounfall steckt, der seinen Tod verursachte. Die Polizei gibt ihren Namen nicht frei, aber ein Detective vor Ort hat den Behörden folgendes Phantombild geliefert.«
Ich schnaubte. Sie gaben meinen Namen nicht preis, weil sie ihn einfach nicht kannten. Doch einen Moment später erschien mein Bild auf dem Schirm. Zumindest konnte es mit viel Phantasie als mein Gesicht durchgehen, wenn man den Kopf ein wenig schräg legte und die Augen zusammenkniff. Es war keine allzu schlechte Darstellung. Donovan Caine hatte zumindest meine Augen und die harte Linie meines Mundes korrekt getroffen, selbst wenn die schwarze Mütze meine blondierten Haare verdeckt hatte. Trotzdem machte ich mir keine Sorgen, dass mich jemand anhand dieser Skizze identifizieren könnte. Dafür war das Bild einfach zu ungenau. Außerdem schauten sich die Leute solche Phantombilder sowieso nie richtig an oder vergaßen sie sofort wieder. Zumindest in einer Stadt wie Ashland, in der jeder, der einem begegnete, eine potenzielle Bedrohung darstellen konnte.
Als Nächstes erschien Caines Gesicht auf dem Bildschirm. Er stand hinter einem der Captains des Ashland Police Departments, der gerade in ein Mikrofon sprach. Neben den Männern waren noch weitere Cops zu sehen.
»… und obwohl ihr erster Versuch, Mr. Giles Schaden zuzufügen, misslungen ist, wird sie doch wegen Mordes gesucht.«
Das war der Captain. Laut eingeblendeter Bauchbinde am unteren Bildrand hieß er Wayne Stephenson. Ein Riese mit hellen Augen und kurzem graumeliertem Haar, dessen einst athletischer Körper langsam in die Breite ging. Vielleicht lag es an der für ihn ungewohnten Aufmerksamkeit der Medien, aber Stephenson wirkte gestresst. Ein grüner Schein schien seine bleiche Haut zu überziehen, und er tupfte sich mit einem weißen Taschentuch den Schweiß von der Stirn.
Ein Reporter wedelte mit der Hand, schrie Caines Namen
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