Spinnenkuss: Elemental Assassin 1 (German Edition)
Northtown. Das Gebäude selbst war nichts Besonderes – ein großes Lagerhaus mit einer glänzenden Bürofassade, so ausdruckslos wie das Gesicht einer Vampirnutte. Wenn man tagsüber daran vorbeifuhr, hielt man es vermutlich nur für ein weiteres anonymes Callcenter mit Schichtbetrieb.
Aber nachts sah es hier ganz anders aus. Eine riesige Rune hing über dem Eingang – ein Herz mit einem Pfeil darin. Das Neonschild leuchtete erst rot, dann gelb, dann orange und beleuchtete so die lange Schlange von Leuten, die neben der roten Samtkordel warteten. Kerle in Anzügen, fast nackte Mädchen und jede Menge dazwischen – alle Größen, Formen und Farben, alle gierig darauf, in den Klub zu kommen, sich zu betrinken oder high zu werden und ihre Phantasien auszuleben.
Der Nachtklub war auf reiches Publikum ausgerichtet, und auf dem Parkplatz vor dem Gebäude standen Luxuslimousinen und teure Geländewagen. Finn parkte unser Gefährt für den Abend auf einem der seitlich liegenden Parkplätze unter den tief hängenden Zweigen einer Trauerweide.
»Also, wie lautet der Plan?«, fragte Caine.
»Wir warten darauf, dass Carlyle auftaucht, schauen, was er so vorhat und ob sich ihm jemand anschließt. Wenn er geht, schnappen wir ihn und bringen ihn für ein kleines Gespräch unter vier Augen in seine Wohnung«, erklärte ich. »Danach können verschiedene Dinge passieren, je nachdem wie kooperativ er sich zeigt.«
»Werden Sie ihn umbringen?«, fragte der Detective direkt.
Ich drehte mich um, um ihn über die Kopfstütze hinweg anzustarren. »Haben Sie mir diese Frage gerade tatsächlich gestellt? Natürlich werde ich ihn verdammt noch mal umbringen! Carlyle arbeitet für den Luftelementar. Das bedeutet für mich, dass er zum Abschuss freigegeben ist.«
Donovan Caine schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht zulassen, Gin, egal was für ein Schleimbeutel Chuckie C. auch sein mag. Ich bin Polizist. Das bedeutet mir etwas, selbst wenn es Ihnen egal ist.«
Ich starrte den Detective an. Seine Moralvorstellungen würden uns den gesamten Abend versauen, wenn ich ihn nicht davon überzeugen konnte, sie zu ignorieren – nur dieses eine Mal. Ich hatte eine Idee, die mir fast den Magen umdrehte, aber ich würde trotzdem versuchen, Caine damit zur Zusammenarbeit zu überreden. »Finn, hast du immer noch dieses Foto auf dem Handy? Das dir das Grufti-Mädchen geschickt hat?«
Er nickte langsam.
»Sei so lieb und zeig es doch mal Caine, bitte.«
Finn klappte sein Handy auf und suchte das betreffende Bild. Er sah den Bildschirm nicht an, als er das Gerät dem Detective gab. Caine nahm das Handy und starrte auf das Display. Entsetzen, Abscheu und Ekel blitzten in seinen Augen auf, ein Gefühl nach dem anderen. Ich wartete, bis ich die Empfindung entdeckte, die ich wollte – Mitgefühl. Mitgefühl für das, was Fletcher ertragen musste. Mitgefühl, das ich zu meinem Vorteil einsetzen würde.
»Schauen Sie es sich gut an, Detective. Das hat die Luftmagierin meinem Mittelsmann angetan«, sagte ich sanft. »Und sie hat nicht einmal damit aufgehört, als er schon tot war. Sie hat ihn weiter verstümmelt. So habe ich ihn gefunden, in einem See aus seinem eigenen Blut, sein Gesicht und sein Körper fast unkenntlich, weil sie ihre Magie dazu eingesetzt hat, ihm bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen. Der Gestank war … unbeschreiblich. Sie hätte Ihnen dasselbe angetan, wenn ich mich nicht eingeschaltet hätte. Genau dasselbe.«
Donovan Caine antwortete nicht. Er starrte nur weiter auf das Bild von Fletchers Leiche.
»Ich habe Ihnen versprochen, dass ich keine Unschuldigen verletzen werde, Detective, und daran halte ich mich. Wie ich Ihnen schon sagte, töte ich keine Kinder. Auch keine Haustiere«, erklärte ich. »Wenn ich jemanden umbringe, geht es schnell, es ist fast schmerzlos. Das, was Sie auf diesem Bild sehen, ist abartig. Die Männer in Ihrem Haus haben gesagt, dass Carlyle bei der Luftmagierin war, als sie das mit Fletcher getan hat. Er hat ihr geholfen, das dem alten Mann anzutun, den ich geliebt habe. Also ja, ich werde diesen Mistkerl heute Nacht umbringen. Falls Sie ein Problem damit haben, können Sie verschwinden. Und zwar sofort.«
Caine fuhr sich mit der Hand durch die schwarzen Haare, klappte das Handy zu und gab es Finn zurück, der es wortlos entgegennahm. Der Detective schloss die Augen. Biss die Zähne zusammen. Ein Muskel zuckte in seiner Wange. Eine Ader pulsierte auf seiner Stirn. Dann endlich öffnete
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