Spion der Liebe
die sexuellen Marathons des Earls überraschten ihn nicht mehr. Um so erstaunlicher fand er die Güte, die Beau seiner Gefährtin erwies. Mochte er seine Mätressen auch großzügig beschenken – meistens verfolgte er nur seine eigenen selbstsüchtigen Interessen. Und er war niemals gütig.
Aber Miss Blythe läßt sich nicht mit seinen anderen Gefährtinnen vergleichen, dachte Remy.
Als der Earl von Rochefort und Miss Serena Blythe zum erstenmal an Deck gingen, schien eine strahlendhelle Sonne über der portugiesischen Hauptstadt. In weißem Glanz erstreckte sie sich auf den Hügeln am Tejo.
»Was willst du zuerst unternehmen?« fragte er Serena, die mit großen Augen zum Hafen hinüberschaute.
»Oh, ich möchte alles sehen!« Selig wandte sie sich zu ihm. Der Wind wehte ihr blonde Strähnen ins rosige Gesicht.
»So ein unbescheidenes Mädchen!« tadelte er scherzhaft. »Immer willst du alles.«
»Und du gibst mir immer alles«, erwiderte sie, von seinem eindringlichen Blick erwärmt, und schmiegte sich an ihn. Als er seinen Mund auf ihren pressen wollte, warnte sie ihn: »Vorsicht, deine Leute!« Nervös beobachtete sie die Besatzung, die in der Takelage umherkletterte, und rückte ein wenig von ihm ab.
»Ich kann dich küssen, wann und wo es mir gefällt. Darum beneiden sie mich sicher.«
»Aber ich küsse nur dich.«
»Das möchte ich dir auch raten«, betonte er und zog sie wieder an sich. »Ich würde dich mit niemandem teilen.«
Da beschloß Serena, sich nicht mehr gegen die Umarmung zu wehren. »Es wäre doch albern, den Schein zu wahren – wo doch jeder weiß, wie’s um uns steht.«
»Allerdings«, bestätigte er grinsend. »Wenn ein etwas schicklicheres Benehmen erforderlich ist, werde ich dich rechtzeitig darauf hinweisen.«
»Kommt das in deinem Leben jemals vor?« fragte sie ironisch.
»Nicht oft. Aber hier, fern der Heimat, droht dir ohnehin kein Skandal.«
Und die Tothams mit ihren prüden Moralgesetzen können mir auch nichts mehr anhaben, überlegte sie.
Besorgt musterte er ihre nachdenkliche Miene. »Geht’s dir gut?«
»O ja. Endlich bin ich frei. Und dank dir habe ich keine finanziellen Probleme. Jetzt beginnt ein neues Leben. Also, was wollen wir in dieser schönen Stadt besichtigen?«
Zunächst suchten sie das Büro des Hafenmeisters auf, weil Serena hoffte, ihr Gepäck zurückzubekommen, falls die Betty Lee hierhergesegelt war.
Da die Briten intensive kommerzielle und politische Beziehungen mit Lissabon unterhielten, nahm man den Haftbefehl gegen Horton sehr ernst. Wie sich herausstellte, hatte die Betty Lee den Hafen am Morgen des Vortags angesteuert, und nun wurde sie gerade ausgeladen.
»Willst du hier warten?« fragte Beau, der mit Serena zwischen mehreren Kisten und Kartons im kleinen, beengten Büro saß. »Oder soll ich dich auf die Siren zurückführen?«
»Am besten begleite ich dich, weil du nicht weißt, wie mein Gepäck aussieht.«
»Nein. Beschreib deine Sachen.«
»Zwei schlichte braune Ledertaschen, ohne besondere Merkmale. Die wirst du nicht finden.« Entschlossen hob sie ihr Kinn. »Also mußt du mich mitnehmen.«
»Glaubst du, ich würde dich einer solchen Gefahr aussetzen?« Plötzlich nahm seine Stimme einen kühlen Klang an. Er war es nicht gewöhnt, mit Frauen zu diskutieren.
»Vielleicht könnte Miss Blythe in der Kutsche warten, während wir an Bord gehen, Mylord«, schlug der Beamte höflich vor, um eine langwierige Debatte zu verhindern. »Dann wären Sie in Sicherheit, Mylady. Immerhin befindet sich ein Verbrecher auf der Betty Lee. Ich brauche fünfzehn Minuten, um eine Eskorte zusammenzutrommeln, die diesen Horton den Behörden übergeben wird. Sind Sie damit einverstanden?« Nachdem er seit vielen Jahren in einem Hafen Dienst tat, der von englischen Kaufleuten dominiert wurde, hatte er sich ein gewisses diplomatisches Geschick angeeignet.
»Ja, natürlich«, stimmte Serena zu. Es wäre kindisch gewesen, auf ihrem Standpunkt zu beharren.
»Dann muß jemand in der Nähe des Wagens bleiben«, verlangte Beau.
»Selbstverständlich. Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit Kaffee servieren lassen? Und eine Flasche ginja?«
»Nein«, entgegnete Serena, immer noch verärgert über Beaus autoritäres Verhalten.
»Ja, bitte«, sagte ihr Begleiter freundlich. Sobald sich die Tür hinter dem Hafenmeister geschlossen hatte, sprang Beau auf und fauchte: »Dieser Horton ist ein brutaler Mörder. Warum willst du mit aller Macht mitkommen? Sei vernünftig
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