Spion der Liebe
überstanden. Mögen Sie Kirchen, Miss Blythe?«
»O ja.«
»Dann werden Sie Se Patriarchal sicher bewundern. Nicht wahr, Lord Rochefort? Dieser herrliche romanische Stil!«
»Zweifellos«, stimmte Beau zu, hochzufrieden mit dem Resultat seines Gesprächs unter vier Augen. Als er hinausgegangen war – angeblich, um mit dem Kutscher zu reden –, hatte er der Schneiderin unmißverständlich klargemacht, wenn sie es wagen sollte, Miss Blythe zu beleidigen, würde niemand aus der britischen Gemeinde jemals wieder ein Kleid bei ihr bestellen. Außerdem betonte er, sie dürfe das Wort ›Kusine‹ in Miss Blythes Gegenwart nicht mehr benutzen. »Sie ist eine sehr gute Freundin, Mrs. Moore«, hatte er erklärt. »Also werden Sie verstehen, daß ich ihr alle Kränkungen ersparen möchte.«
So wurde Serena wie eine königliche Hoheit behandelt. Beau beobachtete aufmerksam, wie sie die Modeskizzen noch einmal durchsah, und prägte sich ein, welche Kleider ihr gefielen. Schließlich entschied sie sich für ein Modell aus goldgelber Seidengaze mit einem Überrock aus Musselin. »Obwohl es ziemlich unpraktisch aussieht …«, seufzte sie.
»Da du’s auf allen abendlichen Veranstaltungen tragen kannst, ist es sogar sehr praktisch«, widersprach er. »Und bei kühlem Wetter legst du einen Kaschmirschal um die Schultern. Könnten Sie uns etwas Passendes zeigen, Mrs. Moore?«
»So ein Schal wäre zu teuer«, protestierte Serena.
»Ich würde ihn gern bezahlen.«
»Nein«, entgegnete sie kategorisch.
»Probier ihn wenigstens. Dann weißt du, was du kaufen solltest, falls deine Investments einen Gewinn abwerfen«, fügte er hinzu, um durch die Blume auf ihr Glück am Spieltisch hinzuweisen.
»Ganz egal, wie erfolgreich sich meine finanziellen Transaktionen gestalten werden, Beau – einen Kaschmirschal kann ich mir nicht leisten. Statt dessen werde ich eine Pelisse kaufen. Die ist viel praktischer.«
»Aber du brauchst was für abendliche Parties, Serena«, beharrte er. »Frag doch Mrs. Moore.«
Einerseits war die Schneiderin ermahnt worden, Miss Blythe nicht zu kränken. Andererseits sah sie Seiner Lordschaft an, daß er seiner Geliebten unbedingt einen Kaschmirschal schenken wollte. Diplomatisch erwiderte sie: »Am Abend ist ein gewisser Luxus – eh – durchaus angebracht. Aber wenn Miss Blythe eine Pelisse vorzieht, könnten wir eine aus Samt oder feinem Wollstoff anfertigen, mit Schwanenfedern besetzt.«
»Oh, das ist eine gute Idee«, meinte er schmunzelnd. »Zeigen Sie uns geeignete Stoffe – und natürlich auch die Kaschmirschals.«
»Nein, Beau …«, begann Serena in kühlem Ton.
»Denk doch mal nach, meine Liebe. Dein Budget wird nicht immer so begrenzt bleiben.« Beim Anblick ihrer zusammengepreßten Lippen fuhr er rasch fort: »Wie auch immer, du solltest Mrs. Moore erklären, was für einen Unterrock du dir vorstellst.«
»Ja, den brauche ich dringend«, stimmte sie zu und wandte sich an die mittlerweile restlos verwirrte Schneiderin. Wollte diese Kundin ihre neuen Sachen wirklich selbst bezahlen? Obwohl Lord Rochefort in Geld schwamm? Hatte sie das Wort ›Freundin‹ mißverstanden?
»Haben Sie Unterröcke mit broderie anglaise ?« fragte Serena.
»Gewiß, Miss Blythe, ich lasse Ihnen sofort welche zeigen.«
»Außerdem brauchen wir Slipper, passend zum goldgelben Kleid«, warf Beau ein. »Gefärbtes Leder oder Seide, Serena?«
»Leder, das hält länger.«
»Sehr wohl, Miss Blythe«, sagte Mrs. Moore und überlegte, warum sich eine Geliebte Seiner Lordschaft ständig mit praktischen Erwägungen befaßte. »Wenn Sie die Unterröcke inspiziert haben, müßten wir bei Ihnen Maß nehmen und die Umrisse Ihres Fußes festhalten.«
Sie verließ das Zimmer und kehrte wenig später zurück, gefolgt von zwei Gehilfinnen, die mehrere Unterröcke hereintrugen.
Nachdem sich Serena für einen Unterrock aus Musselin mit eleganter Stickerei entschieden hatte, schlug die Schneiderin diskret vor: »Vielleicht sollten wir ohne das Wollkleid bei Ihnen maßnehmen – wenn es Ihnen nichts ausmacht …«
»Nein, natürlich nicht.«
»Lord Rochefort – eh – würden Sie es vorziehen …«, begann Mrs. Moore.
»Ich würde noch ein Glas ginja vorziehen«, unterbrach er sie sanft, »wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Keineswegs«, antwortete sie unbehaglich. Von der schwierigen Aufgabe überfordert, die Nuancen seiner ›Freundschaft‹ zu interpretieren, geriet sie in undamenhaftes Schwitzen. »Noch eine
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