Spion der Liebe
ich den britischen Konsuln auf Menorca und in Palermo übergeben. Darin erläutert unser Außenministerium seine Einschätzung der Zweiten Koalition.« Die selbstsüchtige Haltung der Österreicher hatte den britischen Premierminister Pitt zu der Überlegung bewogen, ob er die Habsburger fallenlassen und den Krieg nur an der Seite seiner russischen Verbündeten fortsetzen sollte. Allerdings war Zar Paul so wütend auf Österreich, daß er drohte, seine gesamten Truppen zurückzuziehen. »Wir werden beide Häfen erreichen, bevor Damiens Kuriere dort eintreffen könnten.«
»Und wenn diese Nachrichten in falsche Hände geraten?« Serena verstand nicht, warum die wichtigen Informationen so leichtfertig behandelt wurden.
»Alle wesentlichen Mitteilungen sind verschlüsselt.« Lässig zuckte Beau die Achseln. »Solche Schriftsachen habe ich schon oft weitergeleitet. Für mich ist das nichts Besonderes.« Er erwähnte nicht, daß die Siren während der letzten Jahre achtundzwanzigmal im Dienst der Regierung zwischen der englischen und der französischen Küste hin und her gesegelt war. »Und jetzt will ich mit einem Kuß belohnt werden, nachdem ich deine endlose Konversation mit Damien so geduldig ertragen habe.«
Schmunzelnd neigte sie sich zu ihm. »Hättest du dich doch an unserem Gespräch beteiligt.«
Er erwiderte ihren Kuß. Dann lehnte er sich zurück und legte die Füße auf die andere Sitzbank. »Während eurer angeregten Unterhaltung habe ich mit Emma geplaudert und die neuesten Lissaboner Klatschgeschichten gehört.« Emma glaubte stets, das würde ihn interessieren, und er war zu höflich, um ihr das Gegenteil zu gestehen.
»Was hast du denn erfahren?«
»Nichts von Bedeutung. Die haut monde von Lissabon ist ziemlich langweilig.«
»Trotzdem bewegst du dich in diesen Kreisen.«
»Nur in einem einzigen, ganz bestimmten Bereich, Liebling.« Grinsend entblößte er seine schneeweißen Zähne. »Ich besuche sehr selten Dinnerparties, und ich tanze nicht.«
»Niemals?«
»Gelegentlich, wenn Maman darauf besteht, mich zu irgendwelchen öden Bällen zu schleppen. Tanzt du gern?«
»O ja. Aber ich habe nur auf ländlichen Festen getanzt. Ehe ich debütieren konnte, verlor Papa sein ganzes Vermögen.«
Immer wieder staunte er, weil sie ihr schweres Schicksal so gelassen akzeptierte. »Möchtest du eine Party besuchen, bevor wir abreisen?« Plötzlich reizte ihn der Gedanke, Serena tanzen zu sehen.
»Was für eine Party?« fragte sie argwöhnisch. In der demimonde wollte sie sich nicht zeigen, und die vornehme Gesellschaft würde Beaus Geliebte wohl kaum willkommen heißen.
»Irgendeine Fete in der Botschaft. Dort wird fast jeden Abend getanzt, und Damien gibt sehr oft Bälle.«
»Aber ich kann doch nicht zu einer offiziellen Veranstaltung gehen.«
»Warum nicht?«
»Wie würdest du mich denn vorstellen? Als deine Kusine?«
»Emma wird dich vorstellen und erklären, du seist mit ihr verwandt.« Lächelnd fügte er hinzu: »Vielleicht kannst du mich sogar zu einem Tanz überreden.«
»Welch ein extravagantes Angebot …«
Und ein teures, dachte er. Natürlich würden die britischen Offiziere, die in Lissabon stationiert waren, den Ball in der Botschaft besuchen. Und alle wußten Bescheid über seine Wette in Brooks Wettbüro. Wenn er vor seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag mit einer Frau tanzte, von seiner Stiefmutter abgesehen, würde er fünftausend Pfund verlieren. »Du hast ein Abendkleid, einen Begleiter und einen Tanzpartner. Und du wirst sicher niemanden aus deiner Vergangenheit treffen. Warum solltest du auf diesen Ball verzichten?«
Unschlüssig schaute sie ihn an. Wenn sie sich als Emmas Verwandte ausgab, würde sie ein gewisses Risiko eingehen. Andererseits war die Versuchung fast übermächtig. Ein großer Ball in glanzvollem Rahmen … Davon hatte sie jahrelang geträumt. »Ich könnte dich in Verlegenheit bringen – oder mich selbst.«
»Willst du dich etwa ausziehen?«
»Würde dich das stören?«
»Eigentlich nicht. Du weißt ja, in welchem Stil ich mich zu amüsieren pflege.«
»Oh, du bist unverbesserlich!«
»Das hat man mir schon oft gesagt. Nun? Gehst du mit mir auf den Ball?«
»Ich weiß nicht recht …«
»Verlierst du etwa die Nerven? Eine Lady, die sich im strömenden Regen auf meine Yacht geschlichen hat?«
»Damals war ich verzweifelt.«
»Zu meinem Glück.«
Ehe sie das Hotel erreichten, hatte er ihre Bedenken zerstreut und überzeugend beteuert, er würde sie
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