Spion der Liebe
nehmen.«
»Das will ich versuchen, wenn ich in Florenz mein Kunststudium beginne.«
»Damien hat mir davon erzählt. Da Sie sich für die Malerei begeistern, dachte ich mir gleich, der Van Dyck würde Sie interessieren. Außerdem muß ich Ihnen mein Lieblingsbild von Gainsborough zeigen. Seine Ann Ford ist einfach göttlich.«
»Also besitzen Sie auch einen Gainsborough? Ich liebe seinen Stil und seine meisterhafte Technik. In Gloucestershire wurde ich von einem Kunstlehrer unterrichtet, der früher mit ihm zusammengearbeitet hatte.«
Wenig später betraten sie das Arbeitszimmer. Während Serena die beiden Gemälde betrachtete, wurde sie von ihrer nachdenklichen Gastgeberin gemustert. Bis jetzt hatte Beau noch nie eine Dame zum Dinner mitgebracht, und er pflegte auch nicht in weiblicher Gesellschaft zu reisen. Also mußte ihn die schöne Miss Blythe ganz besonders faszinieren.
Die beiden Männer schlenderten herein, ihre Drinks in den Händen. »Offenbar habe ich Beau gelangweilt«, scherzte Damien. »Er wollte unbedingt den Van Dyck sehen.«
»Schau doch, Beau!« rief Serena aufgeregt. »Die feinen Nuancen in der Haut-und Haarfarbe! Einfach fantastisch!«
Der Anblick seines Neffen, der das Porträt gründlich studierte, überraschte Damien. Wenn Beau auch ein gewisses Kunstverständnis besaß, hatte er Galerien und Ausstellungen immer nur besucht, um zu sehen und gesehen zu werden. »Seit wann interessiert er sich so brennend für die Malerei?« flüsterte er Emma zu.
»Seit kurzem«, erwiderte sie ebenso leise. »Miss Blythe ist eine bemerkenswerte junge Dame.«
»Zweifellos. Nachdem sie den Salon verlassen hatte, konnte er’s kaum erwarten, ihr zu folgen.«
»Dann sollten wir möglichst bald essen. Wahrscheinlich wollen die beiden nicht allzulange bei uns bleiben.«
»Wenn überhaupt … Du hättest hören sollen, wie er von ihr redet. Offenbar versuchte sie, diesen Horton zu töten. Beau schwärmte in den höchsten Tönen von ihrer Tapferkeit. Und er bewundert sie auch, weil sie in den letzten vier Jahren ein armseliges Leben als Gouvernante führte und die schmerzlichen Entbehrungen so geduldig hinnahm. Übrigens weigerte sie sich, die Perlen zu tragen, die er für sie gekauft hatte, und sie ließ sich nur widerstrebend umstimmen.«
»Will sie keine Geschenke annehmen?« Verwundert hob Emma die Brauen. »Wie ungewöhnlich – nach all den Erfahrungen, die Beau bisher gesammelt hat …«
»Sehr ungewöhnlich. Vielleicht sollte ich Sinjin über die neue Affäre seines Sohnes informieren.«
Beim Dinner hatte Beau nur Augen für Serena, und es war unmöglich, ein Thema anzuschneiden, das nicht mit ihren Vorzügen zusammenhing. Wie sich mein nonchalanter Neffe verändert hat, dachte Damien erstaunt.
Die Speisenfolge schien Beau nicht zu interessieren. Er aß nur wenig, im Gegensatz zu seiner Begleiterin, die einen herzhaften Appetit entwickelte, von der bisque aus Meeresfrüchten bis zum süßen Sahnepudding.
Eine Zeitlang erörterten sie Hortons spektakuläre Flucht. Aber als Beau das blasse Gesicht seiner Begleiterin sah, sprach er sofort von anderen Dingen. Nach dem Dinner tranken sie Kaffee und Cognac im Salon. Damien zeigte Serena verschiedene Antiquitäten und Kunstwerke, während Beau ungeduldig sein Glas leerte.
»Noch etwas Cognac?« fragte Emma.
»Ja, bitte«, erwiderte er und lächelte sie mechanisch an.
»Offensichtlich haben Serena und Damien unsere Anwesenheit vergessen«, meinte sie und füllte seinen Schwenker. »Das erlebe ich immer wieder, wenn er eine verwandte Seele findet.«
»Freut mich, daß er sich so nett um Serena kümmert.«
»Obwohl du lieber allein mit ihr wärst?« neckte sie ihn.
Verwirrt zuckte er zusammen. Konnte sie Gedanken lesen? Dann grinste er. »Wenn ihr genug Cognac im Haus habt, können sich die beiden über antike Kulturen unterhalten, so lange sie wollen.«
»Serena ist sehr gebildet. Vorhin hörte ich, wie sie Damien erklärte, sie würde Latein und Griechisch sprechen.«
»Außerdem schießt sie wie ein Mann, und sie ist eine ausgezeichnete Kartenspielerin. Fast beängstigend. Eine faszinierende Frau …«, sagte er mehr zu sich selbst und beobachtete Serena, die gerade mit Damien vor einem Bücherregal stand.
Mit behutsamen Fingern strich sie über den gepunzten Lederrücken einer guterhaltenen Ausgabe der ›Geographique Syntaxis‹. »Papas Bibliothek enthielt eine seltene Ausgabe der Ptolemäus-Geographie, die in Basel erschienen ist.
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