Spion der Liebe
aussuchen? Angesichts dieser verschwenderischen Fülle weiß ich gar nicht, wo wir anfangen sollen. Bevorzugen Sie eine bestimmte Farbe?« Eine lavendelblaue Samtrobe mit Perlenstickerei an den Ärmeln und kostbarer Spitze am tiefen Dekollete gefiel ihr besonders gut. »Das müssen Sie anziehen und Perlen dazu tragen. Nun, dann wäre alles klar«, fuhr sie fort, mit jenem Selbstvertrauen, das ihr den Weg von der einfachen Herkunft zu ihrer jetzigen Position geebnet hatte. »Sobald mein Coiffeur mich frisiert hat, schicke ich ihn zu Ihnen. Oh, das wird ein amüsanter Abend! Die Männer werden Sie wie die Bienen umschwirren, meine Liebe.«
Nachdem ihre Gastgeberin die Suite verlassen hatte, wanderte Serena erbost umher und verwünschte ihren Status als St. Jules’ Hure. Wie sollte sie ihre Selbstachtung jemals zurückgewinnen?
Ein Dutzend – nein, zwanzig Kleider lagen auf dem Bett und mehreren Sesseln. Argwöhnisch öffnete sie den Schrank, in dem weitere zehn hingen. In den Schubladen lag die Unterwäsche, säuberlich gefaltet.
Seidenstrümpfe, Hemden, Unterröcke, üppig bestickte Korsetts, Nachthemden … Natürlich, das wird ihm gefallen, dachte sie wütend. Sekundenlang fühlte sie sich versucht, alles zu zerreißen. Aber dann siegte ihre Vernunft. Es wäre verwerflich gewesen, die schönen Sachen zu ruinieren.
»Wie kannst du es wagen?« kreischte sie, als Beau endlich eintrat.
»Ah, du hast die Kleider gesehen.« Seelenruhig schaute er sich um.
»Ist das alles, was du zu sagen weißt?«
»Hast du die Diamanten gefunden?«
»Oh!« schrie sie, hochrot vor Zorn.
»Ich ließ sie von der Yacht holen, falls heute nacht ein Dieb an Bord kommt. Damit muß man auf Sizilien immer rechnen«, fügte er nonchalant hinzu und lockerte seine Krawatte.
»Zum Teufel mit dir! Glaub bloß nicht, du könntest meine Gefühle einfach ignorieren!«
»Wenn du mit deinen Bildern genug verdient hast, kannst du mir alles zurückzahlen«, schlug er vor und schlüpfte aus seinem Jackett. »Da heute abend die Königin erwartet wird, dachte ich, du hättest gern ein paar Kleider zur Auswahl.«
»Ah, das dachtest du! Hast du jemals bedacht, was ich mir wünsche?«
»Das weiß ich«, erwiderte er sanft und warf sein Jackett aufs Bett, über eine Ballrobe aus grüner Gaze. »Und nach den Tagen auf Menorca konnte ich die Liste sogar noch etwas verlängern.«
»Aber es geht nicht immer nur um erotische Freuden.«
Auch um Geld und Macht, dachte er zynisch.
»Natürlich nicht, Liebling. Tut mir leid, daß ich dich gekränkt habe … Großer Gott, ich will nicht mit dir über diese albernen Kleider streiten.«
»Dann streiten wir über die Diamanten, die du zurückbringen solltest.«
»Vielleicht hab’ ich’s getan«, log er, da sie den Schmuck offensichtlich noch nicht gefunden hatte. »Ich entsinne mich nicht.« Lächelnd ging er zu ihr, hob sie hoch und wirbelte sie herum. »Wenn du willst, zerreiß alle Kleider in winzige Fetzen, meine Süße, aber sei mir nicht mehr böse. Ich entschuldige mich für alles. Verzeihst du mir?« Er küßte sie, zuerst zärtlich, dann fordernd und leidenschaftlich. Als er sie auf die Füße stellte, mußte sie nach Atem ringen, und der Grund ihrer Erregung hatte sich völlig geändert.
»Hören wir doch zu streiten auf, Liebste«, flüsterte er an ihren Lippen.
»Aber du sollst mich nicht wie deine Hure behandeln.« »Das tue ich doch gar nicht.« Ganz sanft streiften seine Lippen ihre Mundwinkel.
»Du bringst mich in Verlegenheit.«
»Tut mir leid.«
»Beau …«
»Ja, ich weiß. Du willst die Kleider nicht haben. Also wirf sie weg … Hm, du schmeckst so gut«, murmelte er und drückte sie fester an sich.
In seiner verführerischen Nähe fiel es ihr schwer, klar zu denken, doch sie nahm sich zusammen. »Lady Hamilton hat schon ein Kleid für mich ausgesucht, das ich heute abend tragen soll.«
»Dann behalt’s und wirf die anderen weg.« Drängend preßte er seine Hüften an ihren Bauch, um ihr seine Begierde zu zeigen.
»Wenn du mit mir schlafen willst, sagst du alles, nur um dein Ziel zu erreichen, nicht wahr?«
»Nicht alles«, widersprach er belustigt. »Hast du den Spiegel über dem Bett gesehen?«
»Da ist keiner.«
»Doch, unter dem Baldachin.«
»Wieso weißt du das?« fragte Serena mißtrauisch.
»Sir William hat’s mir erzählt. Glaub mir, ich war nie zuvor in diesem Zimmer.«
»Und der Spiegel soll mich von meinem Zorn ablenken.«
»Liebling, ich sagte doch –
Weitere Kostenlose Bücher