Spion der Liebe
andere.«
»Solange du ihn nicht anschaust …«
»Der würde mich gar nicht wahrnehmen – eine Matrone mit vier Kindern.«
»Eine zauberhafte Matrone …« Mit ihren einunddreißig Jahren zählte Chelsea immer noch zu den schönsten Frauen in London. Und da er früher mit zahlreichen verheirateten Frauen geschlafen hatte, wußte er, daß auch sogenannte ›Matronen‹ amouröse Abenteuer suchten. »Also gut, ich engagiere einen Tanzlehrer für Nell. Aber nur, wenn du ihm keine Beachtung schenkst!«
»Keine Bange, Liebling.« In honigsüßem Ton fügte sie hinzu: »Was meinst du? Wird unser fünftes Kind die Damen entmutigen, die sich so eifrig um dich bemühen?«
»Welche Damen?« In gespielter Unschuld hob er die Brauen.
»Die dir immer noch Liebesbriefe schicken.«
»Pims hat den Dauerauftrag erhalten, diese Post sofort wegzuwerfen.«
»Das beruhigt mich.«
»Da ich dir in unwandelbarer Treue verbunden bin, solltest du dir wirklich keine Sorgen machen.«
»Ich weiß, ein treuer Ehemann ist wirklich eine Rarität. Und ich danke dir von ganzem Herzen, Liebster.«
»O Chelsea …« Von neuer Angst erfaßt, zog er sie zärtlich an sich. »Wenn ich mir vorstelle, daß du in einer holpernden Kutsche sitzt … In Zukunft darfst du nur noch auf glatten Straßen fahren.«
»Ja, Liebling.«
»Und du solltest nicht mehr selbst gehen, ich werde dich tragen.«
Lachend schüttelte sie den Kopf. »Bitte, übertreib’s nicht! Wenn das Baby auf die Welt gekommen ist, darfst du’s stundenlang herumtragen.« Lächelnd strich sie über seine Wange. »Aber jetzt kannst du mich ins Schlafzimmer tragen. Ich sehne mich nach deinen Küssen.«
»Nur Küsse!« mahnte er, um sie an ihren Zustand zu erinnern.
»Natürlich, nur Küsse – wie könnte ich an was anderes denken?« log sie. »Plötzlich fühle ich mich so müde – und du bist so stark – und seit jener Nacht haben wir uns nicht mehr geliebt …«
»Hätten wir’s bloß bleibenlassen!«
»Aber wir haben’s getan – und wie du siehst, geht’s mir großartig.«
Als er sie durch die Eingangshalle zur Treppe trug, kicherten die Dienstmädchen und erröteten. Aber der Herzog von Seth hatte nur noch Augen für seine Frau. Und Chelsea schmiegte glücklich ihre Wange an seine Schulter.
Ungeöffnet blieb Lord Dufferins Brief – eine wortreiche Beschwerde über den ungebärdigen Lord Rochefort – auf dem Schreibtisch liegen.
Aber der Herzog und die Herzogin von Seth wußten ohnehin, wie leicht sich ihr Sohn von seinem Temperament fortreißen ließ.
15
Während die Siren gemächlich nach Neapel segelte, bereitete Bonaparte in Malmaison und in den Tuillerien gemeinsam mit Duroc, Lauriston und Bourrienne den Einmarsch in Italien vor. In Dijon wurden Reservetruppen aus ganz Frankreich zusammengezogen. Chambarlhac de Laubespin, ehemaliger königlicher Offizier, verließ Paris an der Spitze der Ersten Division. Watrins Truppen kamen aus Nantes und stießen mit Loisons Männern aus Rennes zur Chabran-Division. Aus Westindien segelte Boudet, in Bordeaux geboren, zur französischen Küste und übernahm das Kommando von Bataillons, die sich aus Veteranen und Neulingen zusammensetzten. In Lyon deponierte man Artillerie und Proviant.
General Dupont wurde von Kriegsminister Berthier zum Stabschef befördert. MacDonald zum Generalleutnant. Auch die Generäle Victor, Duhesme und Lannes wurden zu Generalleutnants ernannt. Der Adjutant des Ersten Konsuls, Marmont, befehligte die Artillerie und Marescot, Generalinspekteur der napoleonischen Armee, die Pioniere.
Bei Murats Ankunft im Hauptquartier in Dijon brach allgemeiner Jubel aus. Er war ein couragierter, brillanter junger Mann, glücklich verheiratet mit Caroline, der Schwester des Ersten Konsuls. An seiner Seite standen General d’Harville und zweitausenddreihundert Kavalleristen unter dem Kommando von Champeaux und Kellermann, dem Sohn des Siegers von Valmy.
Zahlreiche Schauspieler und Musikanten fanden sich in Dijon ein, der Zirkusreiter Franconi und seine Truppe sowie Garnerin, der Luftfahrer mit seinem Ballon. Die Truppen, in der Umgebung stationiert, amüsierten sich köstlich. In den Chateaus fanden Tanzfeste statt. Alle jungen Offiziere strotzten vor Tatendrang und Zuversicht. Innerhalb weniger Wochen sollte Napoleons riskantes Manöver beginnen.
Sechzigtausend Soldaten standen bereit, um in Italien einzumarschieren.
Sobald sämtliche Vorbereitungen getroffen waren, würde Napoleon die Hauptstadt verlassen,
Weitere Kostenlose Bücher