Spion der Liebe
um die Reserve persönlich zu kommandieren.
16
Über Palermo hingen düstere Wolken, als die Siren in der ersten Märzwoche eintraf. Da der königliche Hof, von den Franzosen aus Neapel vertrieben, nach Sizilien geflohen war, 7 konnte man in der Stadt kaum eine Unterkunft finden.
»Wir müssen nicht lange hierbleiben«, versicherte Beau, nachdem Serena erklärt hatte, sie fühle sich in der Nähe königlicher Hoheiten unbehaglich. »Ich übergebe Damiens Depeschen dem britischen Gesandten, Sir Hamilton. Wenn er mir seine Gastfreundschaft anbietet, werde ich die Einladung höflich ablehnen. Vermutlich werden wir schon morgen weitersegeln.«
»Gut.« Einerseits wollte sie dem Trubel Palermos entrinnen, andererseits war ihr schmerzlich bewußt, daß die Trennung immer näher rückte. Die Fahrt zum Florentiner Hafen Livorno dauerte nur zwei Tage. Dort würde sie der Mann verlassen, den sie liebte.
Aber Beau hatte nicht mit Lady Hamiltons Interesse an attraktiven jungen Männern gerechnet. Ehe er sich von dem Ehepaar verabschieden konnte, mußte er versprechen, seine Reisegefährtin und das gesamte Gepäck in Hamiltons Palazzo zu bringen.
»O nein!« hatte Lady Hamilton dramatisch gerufen. »Sie dürfen das festliche Dinner, das wir zu Ehren Admiral Nelsons geben, nicht versäumen, Lord Rochefort. Immerhin hat er England gerettet.«
Dieses Argument ließ sich nicht widerlegen. Hätte Nelson die Franzosen 1798 bei Abukir nicht besiegt, würde Napoleon seinen Eroberungskrieg ungehindert fortsetzen. In jenem Sommer hatte England unter der weitverbreiteten Unzufriedenheit seiner Bevölkerung gelitten und am Rande einer Revolution gestanden. Bonapartes Niederlage und Demütigung bei Abukir war ein Triumph gewesen. Sichtlich erfreut und erleichtert las der König, den die Nachricht in Weymouth erreichte, Nelsons Brief den versammelten Höflingen viermal vor. Nach fünf erfolglosen Kriegsjahren hatte England diesen Sieg dringend gebraucht.
»Nein, Beau, ich kann unmöglich bei den Hamiltons wohnen«, protestierte Serena.
»Liebling, da gibt’s kein nennenswertes Protokoll. Bedenk doch – Emma Hamilton, die Vertraute der Königin, ist Tochter eines Hufschmieds. Am sizilianischen Hof mußt du kein Familienwappen zur Schau tragen. Und wenn du für die Jagd schwärmst, wirst du zweifellos die Gunst des Königs erringen, weil er sich kaum mit anderen Dingen beschäftigt.«
»Trotz dieser lockeren Sitten bin ich als deine Geliebte nicht präsentabel.«
»Glaub mir, niemand wird einen Kommentar dazu abgeben.« Ist sie wirklich so naiv, fragte er sich. An allen europäischen Höfen nahmen die Mätressen bedeutsame Positionen ein.
»Aber ich würde mich nicht wohlfühlen.«
»In der Lissaboner Botschaft hast du dich doch so ungezwungen amüsiert. Hier sind ›Kusinen‹ genauso willkommen.«
»Außerdem habe ich nichts anzuziehen.«
»Du besitzt ein schönes rosa Ballkleid. Und wenn du’s nicht tragen willst, werden wir was anderes finden.« Die Garderobe aus Mrs. Moores Salon war an Bord der Siren verwahrt worden, in einem sicheren Versteck. Auf der Reise nach Palermo hatte Serena keine modische Kleidung benötigt.
»Geh allein zu den Hamiltons. Ich bleibe auf der Yacht.«
»Ausgeschlossen. Die Besatzung hat Landurlaub, und Remy ist bereits nach Neapel abgefahren. Glaubst du, ich lasse dich allein im Hafen zurück? Das wäre viel zu gefährlich.« Weil ihr keine neuen Argument einfielen, zuckte sie nur die Achseln, und Beau lächelte. »Draußen wartet die Kutsche.«
Emma Hamilton, eine der berühmtesten Schönheiten ihrer Zeit, war von großen Künstlern wie Romney und Lawrence gemalt worden. Bei mehreren Ausstellungen der Royal Society hatte man diese Porträts bewundert. Nun zählte sie achtunddreißig Jahre. Die erste vielgepriesene Blüte ihrer Jugend verblaßte, und sie neigte zur Fülle. Aber sie besaß immer noch zauberhafte Augen und ein ausdrucksvolles Gesicht.
In gewissen Kreisen der englischen Gesellschaft wurde der Wert eines Menschen nur an seiner Herkunft gemessen. Diese dünkelhaften Leute verachteten Lord Hamilton, weil er die bürgerliche Emma geheiratet hatte, nachdem sie jahrelang seine Geliebte gewesen war. 8
Erfreut lief sie in den Hof, um Beau und Serena zu begrüßen, die soeben aus der Kutsche gestiegen waren. Nachdem er sie mit seiner Begleiterin bekannt gemacht hatte, meinte sie lächelnd: »Sie ist so schön wie Ihre Mutter, Lord Rochefort. Ganz London schwärmte von der jungen
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