Spion Für Deutschland
die Diamanten, die Dollars sind weg. Verschwunden mit Wil iam Colepough, meinem Kameraden —
dem Dieb.
Ich stehe hier mit einem unerfüllten Auftrag und besitze noch 300 bis 400
Dollar. Es dreht «ich alles vor meinen Augen. Mit 300 Dol ar muß ich ausziehen, um Billy irgendwo in Amerika zu suchen. Wenn ich ihn nicht innerhalb der nächsten Stunden finde, bin ich erledigt.
Die Spur eines Mannes, der am hellichten Tag mit zwei großen Koffern in der Hand zu Fuß durch New York geht, ist nicht al zuschwer zu verfolgen. Der Pförtner des Hotels »Kennmore-Hall< in der 33. Straße kannte die Richtung, die Billy eingeschlagen hatte. Ein Zeitungsverkäufer hatte ihn gesehen und ein Schuhputzer. Ich verfolgte Billys Fluchtweg vorsichtig. Ich durfte mich nicht durch zu deutliche Fragen verdächtig machen.
Billy war es nur auf das Geld und die Diamanten angekommen. Die Koffer hatten überschwere Schlösser. Die Schlüssel dazu steckten in meiner
Hosentasche. Für Billy war es unmöglich, ohne fachmännische Hilfe die Koffer aufzubrechen. Er mußte die Beute zuerst in Sicherheit bringen und sich eine Geschichte ausdenken, mit der er später zu einem Schlosser gehen konnte.
Wohlgemerkt, er wurde in ganz Amerika als Deserteur gesucht. So betrachtet, hatte er sogar einen schwierigeren Stand als ich. Ich war zwar schon einmal in amerikanischer Gefangenschaft gewesen, 1942, als ich gegen amerikanische Agenten ausgetauscht worden war. Aber ich wußte genau, daß die FBI es damals versäumt hatte, mich zu fotografieren und von mir Fingerabdrücke zu machen. Ich war eben nur ein Internierter gewesen, und Internierte belästigt man nicht. Zumindest nicht im Anfangsstadium des Krieges ...
Was würdest du tun, fragte ich mich immer wieder, wenn du an Billys Stelle wärst? New York verlassen! Ganz klar! So schnel wie möglich. Am besten mit dem Zug, da fäl t man am wenigsten auf. Mit einer der schnellen Fernlinien.
Ein- bis zweimal umsteigen unterwegs. Und wo einsteigen? Natürlich am nächsten Bahnhof! Klar! Welche Station liegt am nächsten? Ich ging in eine Snack-Bar und betrachtete mir den Stadtplan von New York.
»Suchen Sie etwas Bestimmtes?« fragte mich der Keeper.
»Nein«, erwiderte ich. »Ich mache einen Bummel durch New York. Ich will mich nur einmal orientieren.«
»Zum erstenmal hier?«
»Zum zweitenmal«, antwortete ich, »aber beim erstenmal hatte ich keine Zeit, mir die Stadt anzusehen.«
Ich schlürfte Kaffee und aß Doughnuts, die genormten Schmalznudeln
Amerikas. Ich spülte die Hast, die Hetze, das Entsetzen, das Fieber hinunter und zwang mich, ruhig zu bleiben. Ich wußte, daß ich Billy mit dem Kopf und nicht mit den Beinen verfolgen mußte. Er hatte aus einem Impuls heraus gehandelt, das war mir klar. Bil y war der Typ des Mannes, der etwas unternimmt und erst hinterher darüber nachdenkt.
Plötzlich glaubte ich zu wissen, wo meine Koffer waren. Natürlich ! Billy mußte zur >Grand-Central-Station< gegangen sein. Diesen Bahnhof kannte er. Wenn er nicht gleich einen Zug gefunden hatte, wartete er wohl in der Nähe. Zwei Stunden vielleicht oder drei. Er würde sich nicht mit den Koffern an den Bahnsteig stellen. Er würde sie in der Gepäckaufbewahrung aufgeben, wie wir es schon einmal gemacht haben, bei der Ankunft in New York.
Ich ging zur >Grand-Central-Station<. Von Billy war nichts zu sehen. Ich überzeugte mich am Fahrplan, daß in letzter Zeit kein Fernzug den Bahnhof verlassen hatte. Ich schlenderte durch die Restaurants und Bars, über die Bahnsteige, in die Toiletten.
Nichts! Es blieb mir nur eine letzte, winzige Chance: der Schalter für Reisegepäck.
>Check your baggage< stand an al en vier Seiten der Aufbewahrungsstelle, die genau in der Mitte der Bahnhofshalle untergebracht und rundum zugänglich ist.
Es war 17 Uhr 30. Die Bahnsteige saugten Tausende müder, abgehetzter Menschen auf. An den Schnellbüfetts gruppierten sich die Hungrigen zu Schlangen. Zeitungsverkäufer gingen in der Bahnhofshal e hin und her und priesen Schlagzeilen an. »Leiche im Hudson identifiziert . . . Der Liebeskummer trieb sie in das Wasser .. . Hätte Bill sie gestern geküßt, würde sie heute noch leben!« schrie ein untersetzter Zeitungsboy.
Ich ließ mich im Gedränge so nahe wie möglich an die Gepäckaufbewahrung heranspülen. Ich wurde von einer fixen Idee beherrscht: hier sind deine Koffer, redete ich mir ein. Hunderte von Koffern standen neben- und übereinander. Die obersten beiden Regale waren
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