Spione, die die Welt bewegten
gab in der Stadt ein „Amt für Barbaren-Angelegenheiten“, das die Aufgabe hatte, alle fremdländischen Bürger
in der Stadt zu überwachen. Es handelte sich um eine Art Fremdenpolizei.
Die Überwachung geschah dabei sowohl heimlich als auch völlig offen. Gesandten wurden beispielsweise Diener zugeteilt, die
ihnen den Alltag erleichtern sollten, in Wirklichkeit aber Angehörige des Geheimdienstes waren. Sie begleiteten die Fremden
überall hin und verhinderten, dass sie in bestimmte Gegenden reisten oder Produkte kauften, deren Ausfuhr verboten war. Insbesondere
die Farbstoffe der Textilhersteller durften zum Schutz der eigenen Werkstätten an keinen Fremden verkauft werden. Um den Verbrauch
von Gold und Silber unter Kontrolle zu halten, arbeiteten die Gold- und Silberschmiede nicht in eigenen, sondern in ihnen
zugewiesenen Werkstätten. Gesandte, Missionare, Kaufleute oder andere Reisende, die aus der Fremde nach Konstantinopel zurückkehrten,
mussten sich nach der Ankunft bei einer bestimmten Behörde melden und dann ein Protokoll ihrer Eindrücke hinterlegen.
Etwa ab dem Jahre 740 wurden alle Ämter, die Nachrichten kontrollierten und auswerteten oder Fremde überwachten, zentralisiert,
so dass es ohne Zeitverluste denkbar kurze Amtswege gab und Reaktionen sofort möglich waren.
|74| Die Leitung dieser Zentralstelle hatte der Logothete, der täglich vom Kaiser empfangen wurde, um ihm die aktuelle Situation
zu schildern. Er hielt dabei viele Fäden in der Hand und hatte sowohl Verbindungen zum kaiserlichen Postdienst als auch zum
„Amt für Barbaren-Angelegenheiten“. Für Spione, die in den unterschiedlichsten Ländern stationiert waren, bestanden noch kürzere
Informationswege, die direkt zum Kaiser führten. Dabei war nur wenigen bekannt, wer überhaupt als Spion für den Kaiser arbeitete.
Mögliche Verräter konnten bei so kurzen Verbindungswegen weit weniger Lücken finden, als in einem Beamtenapparat.
Im 8. Jahrhundert musste Kaiser Konstantin V. einmal für seine Naivität ein hohes Lehrgeld zahlen: Der Herrscher von Bulgarien
hatte dem Kaiser damals eine geheime Botschaft übermittelt und mitgeteilt, dass er in Konstantinopel Zuflucht vor den Intrigen
seines Adels suchen wolle. Die ständigen Auseinandersetzungen seien ihm zuviel geworden, und er wolle sich zurückziehen. Für
den Kaiser war das Angebot verlockend, denn Byzanz hatte immer wieder Streitigkeiten mit Bulgarien, die nun vielleicht besser
als vorher bezwungen werden könnten. Er vertraute deshalb dem Herrscher, stimmte der Anfrage zu und trat in eine Geheimverhandlung
ein. Der Herrscher von Bulgarien ging nun noch einen Schritt weiter und fragte beim Kaiser an, wer unter seinen Adeligen vertrauenswürdig
genug sei, um ihm eine Flucht nach Byzanz zu organisieren. Kaiser Konstantin V. wurde leichtsinnig und schickte tatsächlich
eine Liste mit den Namen seiner Spione, die in Bulgarien für ihn tätig waren. Diese wurden anschließend sofort verhaftet und
hingerichtet. Der byzantinische Kaiser war auf einen sorgfältig geplanten Trick hereingefallen.
Heute verbinden sich mit dem Wort „byzantinisch“ Begriffe wie Verschlagenheit, Irreführung oder Raffinesse; auf Kaiser Konstantin
V. traf all dies allerdings nicht zu.
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|75| Legate, Mönche, Missionare – Spionage der Päpste
Wenn es um die politische Macht ging, mischten im europäischen Mittelalter immer wieder drei Parteien die Karten: Zunächst
gab es den König, der sich nach heftigem Ringen bei seinen Gefolgsleuten, wie etwa Herzögen und Stammesfürsten, endlich durchgesetzt
hatte und der nun in seiner Machtposition anerkannt werden wollte. Bei allem Gerangel durfte er seine Anhänger dennoch nicht
abschrecken, denn er war bei kriegerischen Auseinandersetzungen auf deren militärische Unterstützung angewiesen.
Doch auch die Gefolgsleute verfolgten eigene Machtinteressen und pflegten ihre Rivalitäten. Insbesondere in den deutschsprachigen
Gebieten verlagerten sich die Machtverhältnisse im Mittelalter immer wieder: Mal setzte sich für einige Zeit der König durch
und versuchte seine zentrale Königsgewalt zu zementieren. Dann wieder rannten die Stammesfürsten erfolgreich gegen die zentrale
Macht an und sicherten sich ihre Privilegien.
Die dritte Partei dagegen agierte mehr im Hintergrund und verstand es gut, heimtückische Fallstricke zu drehen. Es waren die
Vertreter der Kirche unter der strengen Dominanz
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